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Gordon Brown gibt den Abzug von 2500 Soldaten bekannt.

Foto: Reuters
Premier Gordon Brown legte im britischen Unterhaus seine neue Irak-Strategie dar und musste sich gegen die Häme wegen seines Neuwahl-Rückziehers verteidigen.

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Eigentlich gehörte der Auftritt im Unterhaus zu einer ausgeklügelten Wahlkampf-Strategie. Gleich am ersten Sitzungstag der Herbstperiode wollte Gordon Brown am Montag eine staatsmännische Erklärung zum Irak abgeben. Schon vorab war vom Truppenabbau bis Weihnachten im Irak und von der Reduzierung des britischen Kontingents die Rede gewesen.

Am Montag kündigte Premier Brown dann aber eine Halbierung der britischen Truppen im Irak an. Bis Frühjahr 2008 sollen 2500 Soldaten abgezogen sein. Wichtig war die Botschaft an die desillusionierten Labour-Wähler: Die neue Regierung distanziert sich von Tony Blairs fehlgeschlagenem Irak-Abenteuer. Gemeinsam mit der für Dienstag geplanten Veröffentlichung der geplanten Staatsausgaben für die nächsten drei Jahre hätte der Labour-Chef starke Argumente für den vorgezogenen Wahlkampf gehabt.

Stattdessen geriet die Irak-Erklärung zum zweiten Akt einer umfassenden Schadensbegrenzung, nachdem der Premier am Wochenende unter dem Eindruck verheerender Umfrage-Ergebnisse in Schlüsselbezirken vor der sorgfältig vorbereiteten Wahl zurückzuckte. Den ersten Akt, eine 70-minütige Pressekonferenz zur Mittagszeit, überstand der Premier mit einer Mischung aus Sturheit und nervöser Anbiederung an die Medien-Meute.

Wo Vorgänger Tony Blair stets souverän agierte, wirkte Brown wie auf dem Zahnarztstuhl. Nachmittags im Unterhaus wusste Brown wenigstens die Unterstützung seiner Labour-Abgeordneten hinter sich. Selbstbewusster wirkte allemal sein Gegenüber David Cameron. Der konservative Oppositionsführer hat mit der Beobachtung ins Herz getroffen, Brown habe die Briten mit dem Wahl-Desaster „wie Narren behandelt“ und die Streitkräfte „für politische Zwecke eingespannt“.

Tatsächlich wirkte Browns Trip nach Bagdad letzte Woche nicht wie ein Arbeits-, sondern wie ein Wahlkampfbesuch. Die dort verkündete Truppenreduzierung (1000 Mann) war schlicht eine Verdrehung der Wahrheit: Ein Viertel der Soldaten sind schon längst wieder in der Heimat, einem weiteren Viertel war die Heimkehr rechtzeitig zu Weihnachten bereits im Juli in Aussicht gestellt worden.

Glocks verschwunden

Tausende österreichische Glock-Pistolen sind möglicherweise auf dem Schwarzmarkt im Irak gelandet. Seit Monaten untersuchen die US-amerikanischen Behörden das Verschwinden von zehntausenden Waffen, welche für die irakischen Streitkräfte bestimmt waren. Einer der möglichen Hauptgründe für das Verschwinden der Waffen: Irakische Polizisten und Soldaten haben ihre Waffen verkauft. Eine Untersuchungskommission der irakischen Regierung hat unterdessen scharfe Kritik an der privaten US-Sicherheitsfirma Blackwater geübt. Mitarbeiter des Unternehmens hätten am 16. September in Bagdad ohne Anlass geschossen und 17 Menschen getötet. Bisher war von etwa elf getöteten Zivilisten ausgegangen worden. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2007)