Mehr Misstrauen kann den EU-Nachbarstaaten im Osten eigentlich nicht mehr entgegengebracht werden. Obwohl laut EU-Beschluss noch vor Weihnachten die Grenzkontrollen Richtung Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien der Vergangenheit angehören sollen, wird an einem neuen Sicherheitszaun von österreichischer Seite aus gebastelt. Außerdem soll der Arbeitsmarkt bis 2011 prinzipiell abgeschottet bleiben, Fachkräfte aus Osteuropa sollen nur sehr restriktiv ins Land gelassen werden.

Aber für die Übernahme von osteuropäischen Unternehmen durch österreichische Firmen und Banken und Aufträge vor Ort bestehen selbstverständlich keine Grenzen. Die anderen sollen ihre Tore für uns und unsere Firmen öffnen - wir schotten uns aber ab.

Die Bundesheersoldaten werden zwar direkt von der Grenze zu den EU-Nachbarstaaten im Osten abgezogen, patrouillieren dann aber einige Kilometer weiter im Landesinneren. Der so genannte Assistenzeinsatz des Bundesheeres soll so mit den Schleierfahndungen der Exekutive kombiniert werden, womit auch mehr Einheimische kontrolliert werden.

Das klingt nach der Errichtung eines neuen Eisernen Vorhanges - von österreichischer Seite aus. Das Prinzip des vor 22 Jahren abgeschlossenen Abkommens ist aber, dass Kontrollen im Schengenraum wegfallen, während an den Außengrenzen zu Drittstaaten schärfer kontrolliert wird. Nur wer die strengen Sicherheitsstandards erfüllt, wird zu einem Schengen-Staat.

Es ist schon davon auszugehen, dass sich Brüssel etwas dabei gedacht hat, wenn es nun jene Nachbarstaaten in Osteuropa für "schengenreif" erklärt. Denn in den vergangenen Jahren gab es beträchtliche Schwierigkeiten bei den Vorbereitungsarbeiten, aber die Mahnungen aus Brüssel scheinen gefruchtet zu haben.

Wenn nun Österreich zwar formal anerkennt, dass diese Staaten zum Schengenraum gehören, aber praktisch ganz anders handelt, dann kommt das jener Brüskierung gleich, die die Bayern gegenüber den Österreichern zeigten, als diese das Schengen-Abkommen 1997 verwirklichen wollten. Die Kontrollen in Österreich seien zu lasch, behauptete der damalige Innenminister Günther Beckstein und löste damit helle Empörung in Wien aus. Die Reaktionen in den Nachbarstaaten auf die Maßnahmen Österreichs sind bisher noch auffallend zurückhaltend - ausgenommen Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, der in einem Interview mit dem Standard jüngst sagte, Österreich verletze den Stolz der Ungarn.

Bei der Umsetzung der Arbeitsmarktregelung ab 2009 dürfte Österreich auch mit der EU-Kommission Schwierigkeiten bekommen. Die Kommission will eine Begründung dafür, dass die Schutzklauseln weiter in Kraft bleiben können. 2011 laufen die Bestimmungen ohnehin aus, dann müssen auch Deutschland und Österreich, die ihren Arbeitsmarkt als einzige Staaten noch abschotten, ohnehin eine Öffnung vollziehen. Angesichts des Facharbeitermangels wäre zumindest eine Öffnung einzelner Sektoren für diese, von der Wirtschaft gebrauchten Arbeitskräfte sinnvoll, wenn man schon keine Hilfskräfte ins Land lässt.

Es spricht auch nichts dagegen, im Land selbst Schutzmechanismen gegen Lohndumping auszubauen. So sollen Kontrollen, ob Mindestlöhne tatsächlich - dann auch an die Arbeitskräfte aus Osteuropa - bezahlt werden, ausgebaut werden. Aber dazu braucht man nicht weiter die Grenzen dichtzumachen.

Die Vorteile des Fallens des Eisernen Vorhangs werden auf ökonomischem Gebiet genutzt, aber im politischen Bereich hat es Österreich nicht geschafft, sich in Mitteleuropa als integrative Kraft zu profilieren. Am liebsten würde sich Österreich mit einem halb durchlässigen Schutzzaun umgeben, der nur von österreichischer Seite aus geöffnet werden kann. Österreich liegt zwar mitten in Europa, ist aber in der EU, wo offene Grenzen ein Prinzip sind, noch immer nicht angekommen. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2007)