Ertürk hat seit 2003 ihre Position inne und setzt sich dabei für die Einführung von Gesetzen gegen häusliche Gewalt ein. Ihr Jahresbericht 2007 setzt sich mit "Schnittpunkten von Kultur und Gewalt gegen Frauen" auseinander.
Foto: UNITED NATIONS ECONOMIC COMMISSION FOR EUROPE
Wien - Die UNO-Sonderberichterstatterin zum Thema "Gewalt gegen Frauen" Yakin Ertürk ist zur Zeit auf Einladung der Wiener Frauen SPÖ zu Gast in Wien. Am Mittwoch hat die promovierte Soziologin die mangelnde Verbindung von Integration und Menschenrechten in Europa kritisiert. "Die Einwanderer wurden jahrelang nur vom Sicherheitsaspekt aus gesehen. Zwischen Integration und Menschenrechten besteht ein Zusammenhang", so Ertürk. Die Menschenrechte von Migrantinnen, die etwa unter häuslicher Gewalt oder Zwangsverheiratung litten, seien von vielen europäischen Staaten zu wenig beachtet und mit dem Argument der "anderen Kultur" entschuldigt worden.

Auf Gemeinsamkeiten besinnen

"Seit dem 11. September hat sich ein Spannungsfeld zwischen Islamophobie und islamischen Radikalen aufgebaut, in dem Identitäten geformt werden." Dadurch werde eine Teilung zwischen Frauen in ein "Wir" und "die Anderen" erzeugt, man müsse sich aber wieder der "Gemeinsamkeiten" besinnen. Europäische Frauenorganisationen hätten schon jahrelang auf das Thema aufmerksam gemacht, sagte sie.

Noch immer würden Frauenrechte als Menschenrechte noch nicht vollständig wahrgenommen werden und viele Frauenorganisationen nicht im rechtlichen Rahmen der Menschenrechte operieren. Die internationale Gemeinschaft habe sich dem Thema "Gewalt gegen Frauen" sehr spät angenommen, so Ertürk. "Gewalt gegen Frauen wurde die längste Zeit als Privatsache gesehen. Die Position, die ich derzeit innehabe, wurde erst 1994 geschaffen."

Diskussion "Stop Violence against Women"

Bei einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch Abend im ega stellte Ertürk ihren Jahresbericht vor und machte besonders auf die Tatsache aufmerksam, dass Gewalt an Frauen nicht nur die unmittelbaren Opfer, auch nicht nur ausschließlich Frauen und Mädchen, sondern alle betreffe. Gewalt an Frauen sei ein weltweites Problem und in vielen Kulturen seit Jahrtausenden verwurzelt. Ebenso betonte Ertürk, dass Unterdrückung, psychische und physische Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht nur in Ländern der Dritten Welt geschehe. "Jede Frau, egal ob Muslime, Christin, Jüdin, egal ob Asiatin, Afrikanerin oder Europäerin, unabhängig von Religionszugehörigkeit, Alter, Herkunft, Hautfarbe oder Bildung hat ein Recht auf ein Leben ohne Angst vor Gewalt", so Ertürk.

Siri Tellier, Direktorin des Genfer Büros des UN-Bevölkerungsfonds, nahm ebenfalls an der Diskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe "femmes globales" Teil. Ihr Bericht über ihre Erfahrungen mit Gewalt an Frauen in vielen Ländern der Dritten Welt war Auslöser einer lebhaften Diskussion über Maßnahmen um die Gewalt einzudämmen und die Betroffenen zu schützen.

Im Ernstfall sei es wichtig schnelle und unbürokratische Hilfe zu leisten und eines der Hauptaugenmerke der Wiener Stadtpolitik liege in der Prävention von Gewalt und dem Schutz der Opfer, betonte die Wiener Frauenstadträtin Frauenberger.

Eigener Aufenthaltstitel für Frauen

Die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ, Petra Bayr, forderte, alles zu unternehmen, um "Gewalt gegen Frauen nicht zur Menschenrechtsverletzung des 21. Jahrhundert werden zu lassen". Jede dritte bis vierte Frau sei mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen, ein Grund dafür sei "die ungleiche Verteilung von Macht und Ressourcen", daher müsse die Politik diese Probleme "konzertiert und auf breiter Ebene angreifen", so Bayr. Von besonders großer Wichtigkeit sei die Stärkung des politischen Einflusses von Frauen, momentan betrage der Frauenanteil in den Parlamenten nur 15 Prozent, bemängelte sie.

Für Österreich wünschte sich Bayr einen "eigenen Aufenthaltstitel für Frauen, unabhängig vom Aufenthaltsrecht des Mannes", da diese ihren Männern sonst "völlig ausgeliefert" wären. Einer der Hauptgründe für Menschenhandel und Zwangsheirat, zwei Auswüchse von Gewalt an Frauen, sei "die Armut in den Heimatländern". Man müsse das Problem an der Wurzel bekämpfen und "die Globalisierung nach menschlichen und sozialen Gesichtspunkten gestalten".

Zwangsheiratsstudie

Nicole Krotsch, Frauensekretätin der SPÖ Wien, verwies auf eine Studie über Zwangsheirat, einer "ganz speziellen Form von Gewalt an Frauen", die nun in Auftrag geben worden ist, woraus dann ein "Leitfaden für die zukünftige Arbeit mit den Betroffenen" entwickelt werden solle. (APA/red)