Leben aus dem Plastiksack und in großer Angst vor der Fremdenpolizei: Haxhi und Mutter Safete Zeqaj am Mittwoch während des Interviews.

Foto: STANDARD/Matthias Cremer

Die Mutter Alfred Gusenbauers, Gertraud, unterschrieb vor wenigen Tagen für den Verbleib der Zeqais

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Das stundenlange, untätige Warten in fremden Wohnungen. Die Angst vor einem unerwarteten Klingeln an der Eingangstür. Die Angst, auf Einkaufstouren in den nächsten Supermarkt irgendwie aufzufallen, sodass ein Polizist nach dem Ausweis fragt: All diese unangenehmen Gefühle hat Safete Zeqaj in den vergangenen sieben Tagen kennengelernt.

Seit einer Woche ist die 38-jährige Kosovo-Albanerin zusammen mit ihrem zwölfjährigen Sohn Haxhi auf der Flucht. Auf der Flucht in dem Land, in dem sie seit vier Jahren in einer Holzfabrik in Wieselburg als geschätzte Kollegin arbeitet, Steuern und Abgaben zahlt. In dem Haxhi so sehr daheim ist, dass er, wenn er den Mund aufmacht, in breitem niederösterreichischen Dialekt daherredet.

"Ich rauche und trinke viel zu viel Kaffee"

"Bei Tag sitze ich auf dem Bett und höre vom iPod Musik. Hiphop", sagt Haxhi. "Und ich sitze dabei, rauche und trinke viel zu viel Kaffee", setzt seine Mutter fort. Laut österreichischer Fremdenpolizei sollten beide diesen Tätigkeiten - oder auch anderen, egal - rund 1000 Kilometer weiter südöstlich nachgehen: Im Kosovo, einem für ihn "fremden Land", wohin Vater und Mutter, Haxhi sowie sein 16-jähriger Bruder Deniz Mittwoch vor einer Woche abgeschoben werden sollten. Ihr Asylantrag und ihr Antrag auf humanitären Aufenthalt wurden abgelehnt, und der Berufung dagegen kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Das ist das vorläufige Ende eines asyl- und fremdenrechtlichen Langzeitverfahrens, mit Integration sozusagen als Nebenwirkung.

Zugespitzt hat sich die Situation am vergangenen Dienstag: "Mein Mann saß bereits in Schubhaft, ich und die Kinder sollten uns Mittwoch früh bei der Polizei melden, um in den Kosovo zu fliegen. Also bin ich einen großen Koffer kaufen gegangen", schildert die Frau.

Wie Deniz verschwand

Als sie zurückkam, war Deniz weg. Nur eine Notiz von ihm fand sie, dass ihr Sohn "lieber in die Illegalität geht, statt mit abgeschoben zu werden". Noch am Abend sei sie zur Polizei gegangen und habe vom Verschwinden des 16-Jährigen erzählt, sagt Safete. Doch der zuständige Beamte konnte mit der Nachricht überhaupt nichts anfangen: "Dann würden wir eben ohne Deniz abgeschoben, hat er gesagt. Das war der Moment, wo auch ich mich entschlossen habe, zu bleiben und unterzutauchen."

Noch am selben Abend verließen Safete Zeqaj und Haxhi ihr Haus in Wieselburg, das seither leer steht. Entfernte Bekannte boten ihnen Unterschlupf, aber nur für eine Nacht. Andere sprangen ein, organisierten Autotransporte und weitere Übernachtungsmöglichkeiten: "Auto wechseln, Schlüssel organisieren, Decken und Essen bereitstellen. "Derzeit fühle ich mich fast wie in einem Polizeistaat im Untergrund", erzählt eine freiwillige Helferin. Dass die Beihilfe zum illegalen Aufenthalt laut Paragraf 115 Fremdenpolizeigesetz unter Strafe steht, nimmt sie in Kauf. "Die Behandlung der Familie Zeqaj ist ein Skandal", sagt auch Niederösterreichs Grünen-Chefin Madeleine Petrovic.

Wie die Firma half

Dass die Abschiebung der Kosovaren nach fünf Jahren im Land nicht richtig sei, befand vor wenigen Tagen auch eine ältere Dame mit engen, persönlichen Kontakten zur Regierungsspitze: Gertraud Gusenbauer, Mutter des Bundeskanzlers, unterzeichnete eine Unterstützungspetition, die auf Initiative von Safete Zeqajs Arbeitgeber verfasst wurde.

Doch ob es realistisch ist, die Abschiebepläne für Mutter und Söhne zu stoppen - der Vater ist bereits im Kosovo - wagt auch der Anwalt der Familie, Helmut Blum, nicht vorauszusagen: Die Entscheidung liege derzeit bei der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 4.10.2007)