Schon beim Flug von Peking nach Pjöngjang in einer veralteten Iljuschin 62 tönt Militärmusik und Propaganda aus dem Lautsprecher. Als die Stewardess Wasser serviert, sagt eine Frauenstimme: "Dieses Getränk wird ihnen dank des Großen Führers serviert, der sich unermüdlich für das koreanische Volk einsetzt."

Vom Flughafengebäude, einem niedrigen Betonbau im sowjetischen Stil, begrüßt ein riesiges Porträt des Staatsgründers Kim Il-sung die Reisenden. Zehntausende dieser Propagandabilder, eine oft kitschige Verherrlichung der Kim-Führer, gibt es in Nordkorea - die einzigen Farbtupfer in einem ansonsten grauen Land. In jedem Schulzimmer, in Amtsstuben, Wohnzimmern und sogar in den Abteilen der Züge hängen die Bilder der Kims. Jeder erwachsene Nordkoreaner muss einen Anstecker mit dem Gesicht Kim Il-sungs auf der Brust tragen. Zu Ehren des "ewigen Präsidenten" - er starb 1994 - führte Nordkorea als einziges Land der Erde eine eigene Zeitrechnung ein, die mit der Geburt Kim Il-sungs beginnt. Derzeit schreiben die Nordkoreaner das Juche-Jahr 96. Juche heißt die Staatsideologie.

"Geschenk des Großen Führers"

Besuch in der Pjöngjanger Frauenklinik. Soldaten in braunen Uniformen, die Gewehre geschultert, bewachen den Eingang. Der Bus mit den ausländischen Besuchern passiert die Kontrolle und hält vor einem 13-stöckigen Hochhaus. 2000 Zimmer und 1500 Betten habe die Klinik, erzählt eine Ärztin. Die Besucher werden in einen Raum geführt, in dem ein Computer-Mammografie-Gerät von Siemens steht. Die Maschine wirkt, als sei sie noch nie benutzt worden. An der Vorderseite ist ein Aufkleber befestigt mit der Aufschrift: "Dieser Apparat ist ein Geschenk des Großen Führers Kim Jong-il."

Auf allen medizinischen Geräten, die wir sehen - auf den Blutuntersuchungsmaschinen im Labor, den Brutkästen für die frühgeborenen Kinder und den gynäkologischen Apparaten - kleben diese Hinweise. Die Menschen in Nordkorea sollen so ständig daran erinnert werden, dass sie dem Führer dankbar sein müssen. Kauft die Klinik auch eigene Geräte? "Wir nennen alle Apparate, die wir unter der Aufmerksamkeit des Großen Führers kaufen, Geschenke", erklärt ein Mitarbeiter des Krankenhauses.

Umerziehungslager

Durchschauen die Menschen in Nordkorea diese Propaganda? Wissen sie, dass sie in einem brutalen Regime leben? Wer mit nordkoreanischen Flüchtlingen in China spricht, erfährt eine andere Wirklichkeit von Nordkorea. Die Menschen berichten über Hunger und Mangelernährung, über politische Verfolgungskampagnen und riesige Umerziehungslager. Nordkoreas Gesundheitssystem ist zusammengebrochen, ein Drittel der Bevölkerung ist nach Schätzung der Vereinten Nationen chronisch unterernährt, in den staatlichen Fabriken wird seit Jahren nichts mehr produziert.

"Es gibt keine Medizin mehr. Deshalb verschreiben die Ärzte nur noch bunte Pillen, die keine Wirkungen haben", erzählte eine Krankenschwester aus Pjöngjang, die mit ihrer Tochter nach China geflüchtet war. Die großen Krankenhäuser in Pjöngjang wie die Frauenklinik seien nur für eine kleine Elite geöffnet. "Als normaler Bürger kommt man da nicht einmal hinein."

"Kim Il-sung ist unser Gott"

Wie tausende andere Flüchtlinge hatte die Frau ihr Leben riskiert, um nach China zu flüchten. Wer erwischt wird, landet im Arbeitslager, wo oft ganze Familien mit ihren Kindern einsitzen und ums Überleben kämpfen. Dennoch können sich die Flüchtlinge, die ihr Leben lang in dem System gelebt haben, nur schwer von dem Personenkult lossagen. "Kim Il-sung ist unser Gott", sagte die Krankenschwester. (Harald Maas, DER STANDARD, Printausgabe 5.10.2007)