Wenn ein Präsident der Europäischen Zentralbank öffentlich spricht, dann wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Nach der Sitzung des EZB-Rats in Wien beschäftigten sich Fachleute unter anderem mit der Frage, warum Präsident Jean-Claude Trichet jene Begriffe verwendet habe und andere nicht, als er erklärte, dass die EZB weiter Inflationsrisiken erkenne und deswegen bei den Zinsen erstmal abwarte. Der Franzose wiederholte auf jede Nachfrage mit bewundernswerter Geduld: "Unsere Geldpolitik steht bereit, den Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität zu begegnen, wann immer das notwendig sein wird."

Nicht beeinflussbar

Zunächst bedeutet dies: Wir lassen uns nicht von Zwischenrufen aus der Politik beeinflussen. Seit seinem Amtsantritt schießt sich Trichets Landsmann, Präsident Nicolas Sarkozy, auf die EZB ein. Seit die US-Notenbank die Leitzinsen angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise gesenkt hat, werden die Angriffe aus dem Elysée-Palast härter. Der Euro stieg auf 1,42 Dollar, was die Exportwirtschaft hart trifft. Sarkozy, ein Freund vieler Industrieller, tut sich leichter, die Unabhängigkeit der Währungshüter in Frankfurt infrage zu stellen, als die Industrie zu mehr strukturellen Maßnahmen zu ermahnen.

Die EZB ist in keiner leichten Situation: Der Höhenflug des Euro dämpft zwar etwas den Inflationseffekt des teuren Öls, doch die Preise ziehen bei Lebensmitteln und bei Rohstoffen an. Wie sich die Finanzkrise auf die reale Wirtschaft auswirkt, ist unklar, da noch nicht alle Immobilien-Kreditleichen im Keller von Banken entdeckt sind. Die Entscheidungen der Notenbanker wirken schwerfällig. Aber immerhin stehen sie auf einem klar definierten Fundament - und das ist in schwierigen Zeiten wie diesen auch etwas wert. (Leo Szemeliker, DER STANDARD Printausgabe, 5.10.2007)