Wolf Haas erfindet berühmte Detektive und interviewt den berühmtesten Fernseh-Moderator Österreichs. (Zeichnung: Ander Pecher)

"Was, mit dem Zug? Haben Sie so viel Zeit?" schreibt mir Armin Assinger, als ich meine Ankunft am Bahnhof seines Wohnortes Hermagor ankündige. Die Fahrt durch das Gailtal ist tatsächlich beschaulich, und als die Sonne langsam den Morgennebel auflöst und am verlassenen Bahnhof von Nötsch ein Graffiti ("HIP HOP") zum Vorschein bringt, fehlt eigentlich nur noch, dass Peter Handke mit Rucksack und Zipfelmütze zusteigt. In Hermagor holt Armin Assinger mich mit seinem schwarzen Audi Q7 ab, und kurz darauf sitzen wir schon bei Kaffee und Spekulatius in seinem Garten in der Herbstsonne.

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Haas: Es gibt dieses Zitat von Ihnen: "Wer mit Fehlern schnell ist, dessen Form ist eine gute."

Assinger: Das hab ich gesagt? In so gepflegtem Deutsch? Also "dessen" hab ich sicher nicht gesagt, weil wenn schon, hab ich gesagt: "Wer mit Fehlern schnell ist, dem sei Form is a guate."

Haas: Ja, das ist eh witzig, dieser gspreizte Genitiv da.

Assinger: In Dativ sein Feind halt, nit?

Haas: Jetzt sind wir schon mitten drinnen in den Fehlern. Einerseits versucht man, Fehler zu vermeiden, aber wer alle Fehler vermeidet, der ist erst recht langsam.

Assinger: Weil er so langsam fährt, dass nichts passieren kann. Es verjagt ihn auch nicht. Aber es ist eine Mär, von der Ideallinie zu sprechen. Weil die Ideallinie ist einfach dort, wo der Sieger fährt. Vielleicht verjagt es ihn, weil er mehr Geschwindigkeit hat. Und für den Zuschauer schaut es aus wie ein Fehler, weil er nicht dort fährt, wo alle anderen fahren.

Haas: Mich würde interessieren, hat man beim Rennfahren das Gefühl, dass es eine Grenze zwischen Denken und Nicht-mehr-Denken gibt, also kann man zu kopfgesteuert oder zu "richtig" unterwegs sein?

Assinger: Wenn du einen Läufer nach einem Sieg fragst, dann kann sich der, glaub ich, nur an wenige Details erinnern. Aber wenn du schlecht fährst, weißt du alles von oben bis unten. Ich weiß noch genau, wie’s mi in Kitzbühel zerrissen hat, aber ich weiß fast nicht mehr, wie ich da gfahrn bin, wie ich Zweiter war in Kitzbühel. Oder wie ich in Lillehammer gewonnen hab. Daran kann ich mich kaum mehr erinnern. Der Hannes Trinkl und ich haben immer gesagt, die Renn-Trance brauch ma. Wo du nichts mehr siehst oder denkst, wo quasi der Tunnelblick entsteht, du nimmst nichts mehr wahr, du gehst hin, der zählt dich ein und patsch, ich fahr runter, und unten werd i wieder munter.

Haas: Das erinnert mich an den "Silbersternchen-Orgasmus", von dem ich in meinem letzten Buch behauptet habe, dass er so intensiv ist, dass man sich nachher an nichts erinnert. Laut Psychologie ist es ja so, dass die Erinnerung bei besonders intensiven Erlebnissen gering ist.

Assinger: Das glaub ich schon. Von Hermann Maiers toller Fahrt ’99 in Vail gibt's ein Foto, da räumt er das Tor ganz brutal ab. Fährt es richtig nieder und bricht die Stange ab. Und ich bin überzeugt, wennst den Hermann danach fragst, das weiß der gar nicht mehr. Weil er wahrscheinlich auch so einen Silbersternchen-Orgasmus gehabt hat.

Haas: Und beim Live-Kommentieren?

Assinger: Da bin ich auch in der Renn-Trance.

Haas: Aber was mir immer auffällt, dass Sie diese Spontaneität auch immer gut unter Kontrolle haben.

Assinger: Wieso sagt man eigentlich Sponta-ne-ität. Bei mir heißt das doch Spontanität, oda? Sponta-ne-ität - ich verweiger das! Ich sag: Spontanität.

Haas: Aber die ist ja gar nicht so hundertprozentig bei Ihnen. Sie haben es ja immer unter Kontrolle. Sie haben immer so nette, salonfähige Flüche. So wie "Fix!".

Assinger: Hardifix! Oder: Hardigatte! Das sagt jetzt mittlerweile der Armin Kogler auch. Hardigatte!

Haas: Aber Sie täten nie sagen „Fuck!“. Oder hat's das schon gegeben? Oder "Jetzt haben wir den Arsch offen".

Assinger: Des kummt schon vur, jo. Jetzt haben wir den Arsch offen. Also – ich find, wir sollten per du sein.

Haas: Okay.

Assinger: Das F-Wort allerdings nicht, und wenn, dann meine ich höchstens Faak am See. Bei solchen Schimpfwörtern denk ich mir, jeder Mensch sagt heute "beschissen". Ich weiß nicht, ob's der Papst nicht auch schon sagt. Bei Olympia 2004 hat's eine Live-Schaltung vom Markus Rogan mit dem Bundespräsidenten gegeben. Und der Rogan sagt: Ja der Start, der war halt beschissen. Und dann sagt der Bundespräsident: Ja, ich hab gesehn, dass der Start beschissen war. Da hab ich mir gedacht, weißt was, ab jetzt ist "beschissen" salonfähig.

Haas: Und gibt's auch nie von der Redaktion was, dass der Intendant sagt, das nächste Mal kannst dich wieder ein bisschen zusammen reißen.

Assinger: Das kommt höchstens von meiner ganz privaten Intendanz.

(Zufällig kommt genau in diesem Moment Frau Assinger aus dem Wintergarten, um dem Gast die Hand zu schütteln.)

Assinger: Die Bettina.

Bettina Assinger: Hallo. Habts ihr eh alles? Kinderkekseln, alles da.

Assinger: Die ess nur ich, er isst ja nix.

Haas: Ich bin noch in der Renntrance.

Bettina Assinger: Und Sie sind jetzt mit dem Zug heraufgefahren?

Haas: Ja. Mit dem Zug.

Bettina Assinger: Dann lass ich euch wieder weitermachen.

Haas: Ich möchte noch etwas über Werbung reden. Weil ich da auch einmal gearbeitet hab. Promi-Spots waren ja bei uns eher unbeliebt. Einmal hab ich mit dem Otto Baric einen Radiospot aufgenommen. Aber er hat im Tonstudio gar nicht wie Otto Baric geklungen, weil er so konzentriert darauf war, den Text herunter zu lesen. Also hab ich ihn gebeten, den Text noch einmal zu sprechen, und er schaut aus seinem Glaskobel heraus und sagt: "Besser wird nur, wenn mehr Geld."

Assinger: Das ist auch nicht schlecht.

Haas: Nachher haben wir es mit einem Stimmenimitator aufgenommen, weil der hat mehr nach Baric geklungen als er selber. Ich hab im Internet gefunden, dass du nach dem Hermann Maier der Promi mit dem höchsten Werbewert bist.

Assinger: Das ist aber schon länger her.

Haas: Von 2005. Hast ihn schon überholt inzwischen?

Assinger: Nein umgekehrt, wer weiß, wer mich schon alles überholt hat.

Haas: Da wird recht wissenschaftlich ausgeführt, für welche Produkte du in Frage kommst und für welche nicht. Es heißt da, ein Produkt, das nicht zu Assinger passe, wäre z.B. Waschmittel.

Assinger: Verstehe.

Haas: Das passt wieder zu dem Thema Fehler. Mir täte gerade das taugen, Assinger in der Waschmittel-Werbung.

Assinger: Die Waschmittelwerbung an sich ist ja genauso wie die Damenbindenwerbung eine Katastrophe. Aber auffallen täte das, wenn einer von uns plötzlich einmal auf der Waschmaschine sitzert.

Haas: Und im realen Leben? Ein bekannter Werbespruch lautet ja: "Ganze Männer machen halbe-halbe". Also du schaltest auch manchmal die Waschmaschine ein?

Assinger: Ausräumen! Beim Befüllen wäre ich mir fast sicher, dass ich was falsch mache und etwas verwasche. Also wenn ich das mache, dann immer mit dem Handy am Ohr, wo ich mir Anweisungen hole. Wo muss i jetzt drucken und so. Aber ansonsten beteilige ich mich schon. Ich bin der Frühstücksbeauftragte im Hause Assinger. Ich richte jeden Morgen das Frühstück her und räum auch alles wieder weg. Staubsaugen ist irgendwie wie Rasen mähen, das entspannt, und du siehst und hörst die Resultate. Ich bin nicht der letzte Macho. Höchstens der vorletzte.

Haas: Du bist ja auch viel unterwegs. Bei den Skirennen und Aufnahmen der Millionenshow in Köln. Mir geht es immer so, wenn ich ein paar Wochen auf Lesungen unterwegs bin, dann freu ich mich schon auf daheim – aber daheim halte ich dann die Ruhe nicht aus.

Assinger: Ja, man ist ein bisschen ein Zigeuner, gell. Obwohl – darf man Zigeuner eigentlich sagen? Jedenfalls, wenn ich unterwegs bin, denk ich mir schon öfter, mein Gott, gfrei i mi auf daham. Also wenn ich dieses Köln sehe, nein, wenn ich dieses Köln sehe, Maria! Ma bin ich froh, wenn ich über Klagenfurt herein fliege, und da sehe ich schon den Wörthersee da unten, die Karawanken, verstehst, das ist schön. Da werde ich immer melancholisch und sentimental.

Haas: Die Millionenshow ist ja immer noch ein Quotenhit.

Assinger: Ich weiß noch 2003 haben wir 48 mal hintereinander – mit einem einzigen Ausreißer – die Million gehabt. Durch die Sendervielfalt und DVD und Computer ist klar, dass es diese Goldquoten nicht mehr geben wird. Aber wenn wir, wie letzten Samstag 32 Prozent Marktanteil haben, dann heißt das, dass jeder dritter Österreicher, der ferngesehen hat, die Millionenshow gesehen hat.

Haas: Du hast ja in deinen Jahren als Skifahrer auch viele fremde TV-Sender kennen gelernt.

Assinger: Beim Skifahren, wenn wir z.B. da unten in Val d’Isere waren, und das Wetter war schlecht. Dann kannst du nicht hinaus. Du bist regelrecht eingesperrt. Es geht der Blasius. Die Lifte stehen, ein richtiges Sauwetter halt dort über der Baumgrenze. Da kannst nichts machen, und dann schaust halt fern. Franzosen und ein paar deutsche Private. Ich schwör dir eines. Wennst den Topfen siehst, oder ich müsste eigentlich schon fast Schas sagen, dann kommst heim und sagst: Mensch, haben wir ein gutes Fernsehprogramm. Da sagst: Danke für "Universum", danke für "Kreuz und Quer", danke für "Report", danke für die "ZiB" und "Dorfers Donnerstalk".

Haas: Dann sag ich jetzt auch danke.

Assinger: So jetzt bin ich neugierig, wie du des in Schriftform bringen willst, das ist eine schöne Arbeit.

Haas: Das mach ich jetzt gleich im Zug. (Wolf Haas/DER STANDARD; Printausgabe, 6./7.10.2007)