Martin Pollack (Zeichnung: Ander Pecher)

Zeichnung: Ander Pecher
Vor kurzem bekam ich Besuch aus Polen, ein junger Autor, erstmals in Wien. Was er sehen wolle, fragte ich ihn, Schönbrunn, den Prater, Museen?

Die Bilder von Hieronymus Bosch, sagte er.

Warum Bosch?

In Polen vergleiche man die dumpfe Atmosphäre, die sich unter der Herrschaft der Zwillinge ausgebreitet habe, mit den krankhaften Visionen des holländischen Malers, nun wolle er dessen Bilder sehen. Ich schickte ihn ins Kunsthistorische Museum.

Er kam betroffen zurück. Ja, so schaut's heute aus in Polen, eine Welt, bevölkert von dunklen Mächten und grotesken Dämonen, vergiftet von Ängsten und Misstrauen. Und was am schlimmsten sei, es sei nicht auszuschließen, dass es nach den Wahlen zu einer Neuauflage dieses Alptraums komme, oder solle er von einer Farce sprechen? Er schüttelte betrübt den Kopf.

Diese Resignation, grenzend an Schwarzseherei, ist derzeit in Polen weit verbreitet, vor allem unter Intellektuellen. Die leiden besonders darunter, dass die Kaczynski-Brüder ihr Land international zum Gespött gemacht haben, oder zum Schreckgespenst, je nach Blickpunkt. Als die Koalition zerbrach, herrschte Aufatmen, es galt als sicher, dass die Tage der Regierung gezählt seien. Dieser Optimismus ist verflogen. Nicht zuletzt wegen der jämmerlichen Performance der Opposition, voran des wichtigsten Herausforderers Donald Tusk von der Bürgerplattform (PO).

Der oppositionellen Bürgerplattform war es nie gelungen, überzeugend ihren Führungsanspruch anzumelden, trotz der vielen Affären, in denen sich die von der Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gelenkte Regierung verschliss. Die Opposition konnte nichts für sich nützen. Das liegt vor allem an der Persönlichkeit des Oppositionsführers Tusk. Er ist redlich, doch es fehlt ihm an Charisma. Und er besitzt weder die Härte noch den Machthunger der Kaczynskis. Das sind jedoch Eigenschaften, die etwas zählen in Polen, denn viele Menschen meinen, das Land brauche einen starken Mann, der die polnischen Interessen in Europa rücksichtslos durchsetzt. Vielleicht ist der Oppositionsführer zu vornehm?

Es war ausgerechnet der Intellektuelle und langjährige Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, der jede Vornehmheit ablegte, um den Zwillingen offen die Meinung zu sagen. Es gehe nicht an, so Bartoszewski, dass frustrierte, psychisch gestörte Menschen ihre Probleme an der Nation abreagierten.

Das stört die meisten Polen, fragt sich nur, ob sie auch einen Umschwung wollen? Denn Freiheit und Stabilität versprechen auch, so seltsam das klingen mag, die Kaczynskis, und sie haben einiges vorzuweisen. Die polnische Wirtschaft floriert. Das gibt ihnen die Möglichkeit, die Wähler mit einem ökonomischen Populismus zu becircen. Die ärmeren Schichten sollen mit saftigen Erhöhungen der Mindestlöhne geködert, trudelnde Großbetriebe mit großzügigen Subventionen vorm Zusperren bewahrt werden. Bei so genannten strategischen Firmen will man ausländische Investoren mittels Vetorecht auf Distanz halten.

Die Opposition hat dem nicht viel entgegenzusetzen, auch nicht die sich unter dem früheren Staatschef Kwasniewski neu formierende Linke. Doch es sollen schon Wunder geschehen sein an der Weichsel, ein solches wäre auch Europa zu wünschen. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2007)