Paulus Hochgatterer (Zeichnung: Ander Pecher)

Zeichnung: ander pecher
Man kann wirklich froh sein, dass all das fragwürdige Zeug demnächst ein Ende haben wird, - Kreisspiele ohne Niveau, Barbie heiratet Ken oder man läuft im Rudel über die Wiese. Und überhaupt dieses Singen! Mit Schwester Ulrike, die meine allererste Kindergärtnerin und eine Seele von einem Menschen war, haben wir die ganze Zeit gesungen, aus bloßem Spaß, ihrem und unserem, und unbegreiflicherweise war es ihr völlig egal, ob wir uns den Text merkten oder nicht. Aber sie war ja auch eine Nonne, sozial bestens abgesichert und rein statistisch in Erwartung eines ziemlich langen Lebens.

Gott sei Dank ändert sich das jetzt alles. Bauecke täglich zweimal wird Standard, Puppenspielen ist nur noch in Verknüpfung mit dem Einüben von Pflegehandlungen zulässig und "Mein rechter Platz ist leer" muss wiederholt werden, bis jedem klar ist, dass im richtigen Leben vor allem Networking angesagt ist.

Die prämodernen Entwicklungskonzepte haben ausgedient, man weiß, dass sich die alten Psychos ausnahmslos geirrt haben - Spitz, Winnicott, und Freud erst recht -, und dass es in Wahrheit im Leben eines Kindes weder um Zuwendung geht noch um Spiel und Kreativität, und schon gar nicht um etwas so schlecht Operationalisierbares wie Lust. Selbst Jean Piaget, der in beispielhafter Klarsicht bereits vor Jahrzehnten dem Leistungsaspekt mehr Aufmerksamkeit schenkte als andere, war nicht radikal genug, das Potenzial unserer Kleinkinder endgültig zu erkennen. Sie werden Computer bedienen können, das steht heute fest; sie werden ihr Fernsehprogramm wählen und die richtige Partei sowieso. Über Infantilismen wie Trost, Körperkontakt oder eine Gutenachtgeschichte werden sie bald hinweg sein. In Zweierreihen krabbeln sie ohnehin schon, hört man. (Paulus Hochgatterer/DER STANDARD-Printausgabe, 6./7. Oktober 2007)