Frankfurt - Die Unternehmensteuerreform wird die Gewinne der deutschen Firmen in diesem Jahr um mehrere Milliarden Euro drücken. Gründe seien die hohen Verlustvorträge in den Bilanzen vieler Betriebe, die durch die Reform an Wert verlören, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Montagsausgabe. Leidtragende könnten die Aktionäre seien, denen geringere Dividenden drohen.

Nach Berechnungen des Wiesbadener Steuerrechtlers Lorenz Jarass stecken allein in den Bilanzen der Dax-30-Konzerne noch Verlustvorträge von fast 200 Mrd. Euro. Beim jetzigen Steuersatz von 40 Prozent hatten diese Vorträge einen Wert von 80 Mrd. Euro. Durch die Senkung des Satzes auf knapp 30 Prozent verringert sich dieser Wert nun auf 60 Mrd. Euro. Da Unternehmen Steuerrechtsänderungen unmittelbar nach deren Bekanntwerden in ihren Bilanzen berücksichtigen müssen, werden sie nicht umhinkommen, den Buchverlust von rechnerisch 20 Mrd. Euro noch in diesem Jahr auszuweisen - und damit noch vor dem eigentlichen Inkrafttreten der Steuerreform am 1. Jänner.

"Wir werden im vierten Quartal eine Vielzahl von Gewinneinbrüchen erleben, selbst wenn sich im Vergleich zum dritten Quartal am eigentlichen Geschäftserfolg gar nichts geändert hat", sagte Jarass der Zeitung. "Alle Unternehmen mit Verlustvorträgen werden negativ betroffen sein." Als Beispiele nannte er Daimler und die Deutsche Telekom, die in früheren Jahren teils kräftige Fehlbeträge verzeichnet hatten. "Es könnte Fälle geben, in denen die Dividende wegen eines deutlich niedrigeren Gewinns nach Steuern geringer ausfällt, als dies sonst der Fall gewesen wäre", sagte Marion Sangen-Emden, Steuerberaterin und Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, die zu den größten wirtschaftsberatenden Anwaltskanzleien in Deutschland zählt. Ähnlich äußerte sich Heiko Schreiber, Steuerexperte beim Bundesverband deutscher Banken: "Mancher Aktionär wird das spüren."

Es gibt allerdings auch Unternehmen, die von der Neuregelung profitieren. Dazu zählen vor allem Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen. Sie haben in ihren Bilanzen Vorsorgeposten gebildet, um sich für künftige Steuerzahlungen zu wappnen, etwa beim Fälligwerden einer Lebensversicherung oder anderer Anlageformen. Künftig müssen auch diese Institute statt 40 nur noch 30 Prozent Steuern zahlen; sie können deshalb einen Teil der Vorsorgeposten auflösen und in diesem Jahr als außerordentlichen Gewinn ausweisen.

So erwartet die Münchener Rück einen Sondererlös von 400 Mio. Euro, die Hannover Rück von 180 Mio. Euro. Die Deutsche Bank wies den Einmalertrag bereits vorige Woche aus - mit dem kuriosen Effekt, dass der Gewinn nach Steuern im dritten Quartal mit 1,4 Euro höher ausfiel als der Ertrag vor Steuern mit 1,2 Euro. (APA)