Die Bleiberechtsdebatte spitzt sich weiter zu. Montagnachmittag versuchte sich ein 18-Jähriger Nigerianer am Hauptplatz von Steyr mit einem Bauchstich das Leben zu nehmen. Der junge Mann überlebte leicht verletzt. Zuvor kündigte der Mann an, lieber sterben zu wollen, als abgeschoben zu werden. "Der Asylwerber war seit rund zwei Jahren in Österreich. Heute hat die Fremdenpolizei dem 18-Jährigen mitgeteilt, dass das Asylverfahren eingestellt und die Abschiebung eingeleitet wurde", erklärte Oberösterreichs Sicherheitsdirektor Alois Lissl im Gespräch mit dem Standard.

Auch im Fall Arigona gab es keine Entspannung. "Eine völlig sinnlose Aktion", sagt Raimund Koberger von der überparteilichen Plattform "Land der Menschen". Von dem Angebot des oberösterreichischen Landeshauptmannes Josef Pühringer an Arigona Zogaj hält er hörbar wenig Dieser hatte am Sonntag dem 15-jährigen Mädchen aus Frankenburg, das seit mittlerweile zwölf Tagen untergetaucht ist, Gespräche angeboten und garantiert, es werde nicht abgeschoben. "Das klingt zwar sehr nett, aber es wird doch keiner glauben, dass Arigona, die ganz dringend psychologische Hilfe braucht, ausgerechnet mit dem Herrn Landeshauptmann plaudern will", sagt Koberger im Gespräch mit dem Standard. Dies habe man Pühringer auch schon mitgeteilt. Kontakt habe er, Koberger, nicht zu Arigona, und er wisse auch nicht, wo sich das Mädchen derzeit befindet.

Verhärtete Fronten Am 26. September wurden der Vater der Familie Zogaj sowie vier Geschwister in den Kosovo abgeschoben. Die Mutter liegt seitdem mit einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus, Tochter Arigona ist seit diesem Tag untergetaucht und wandte sich am vergan- genen Freitag erstmals mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit - der Standard berichtete. In die verhärteten Fronten zwischen Innenminister Günther Platter (ÖVP), der am Sonntag über seine Beamten sein Festhalten an der Abschiebung der Familie Zogaj bekundete, und Bleiberechts-Befürwortern ließ am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" der designierte evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker mit einem konkreten Deeskalations-Vorschlag aufhorchen. "Wenn Arigona das möchte, können wir ihr einen Ort anbieten, an dem sie Schutz und Begleitung finden kann", appellierte Bünker an die 15-Jährige. Diakonie-Direktor Michael Chalupka präzisierte am Montag im Standard-Gespräch: "Arigona braucht professionelle Hilfe. Wir haben für sie einen Platz im Diakoniezentrum Spattstraße in Linz organisiert. Wenn sie sich meldet, ist sie dort jederzeit willkommen", kündigte Chalupka an. Es müsse jetzt "das unsagbare Leid" dieses Mädchens erkannt werden. "Arigona braucht einen sinnvollen Ort der Zuflucht. Es ist unerträglich, dass das Mädchen seit Tagen in irgendeinem Hinterhof-Keller sitzt. Es muss das Leid gesehen und nicht über Schlepper diskutiert werden", sagte der Diakonie-Chef.

Enttäuschung

Enttäuscht vom Verlauf der aktuellen Bleiberechtsdebatte zeigte sich am Montag auch der Wiener Caritasdirektor Michael Landau. "Ich erwarte mir Gesprächsbereitschaft, nicht Realitätsverweigerung". Es gehe um konkrete Menschen mit teils "dramatischen Schicksalen", warnte der Caritasdirektor. Innenminister Platter habe alle Mittel in der Hand, die Situation von Familie Zogaj und anderer Integrierter mit einem Schlag zu lösen. Er müsse nur den Empfehlungen seines Menschenrechtsbeirates folgen, der ihm schon im Juli dieses Jahres aufgezeigt habe, dass das Recht auf Privat- und Familienleben vor die Interessen des Staates auf Abschiebung gehe.

Im Fall von Abschiebungen - auch im Familienverband - sollten Kinder und Jugendliche in Zukunft von den Behörden automatisch Hilfsangebote bekommen, fordert indes die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits: "Ich schlage vor, dass bei der Abschiebung vor allem langzeitintegrierter Familien vorab immer die Jugendwohlfahrt oder die Kinder- und Jugendanwaltschaften informiert werden müssen." (Markus Rohrhofer, Irene Brickner/DER STANDARD – Printausgabe, 09.10.2007)