Der Feinstaub in der Luft beeinträchtigt bereits die Sichtverhältnisse in Peking. Asthma und Allergien sind weit verbreitet.

Foto: DER STANDARD/Cuhaj; Illustration: Kohlhuber
Trotz aller Bemühungen ist die Luftqualität in Peking noch immer ein Gesundheitsrisiko für die an den kommenden Olympischen Spielen teilnehmenden Athleten. Ob die chinesische Metropole in den verbleibenden zehn Monaten das Problem lösen wird können, bleibt fraglich. Zumal der Dreck nicht nur hausgemacht ist.

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Gelegentliche Zwangsumsiedlungen und Enteignungen, aus dem Weg zur Sportweltstadt geräumte Menschenrechte - dem Internationalen Olympischen Kommitee (IOC) war und ist dies mit dem Hinweis, es sei ja schließlich keine politische Organisation, herzlich wurscht. Doch nun, zehn Monate vor Beginn der Spiele in Peking, steht die Drohung des IOC-Präsidenten Jacques Rogge im Raum, Wettkämpfe besonders in Ausdauersportarten zumindest zeitlich zu verschieben. Wegen der Luft, der verdreckten. Athleten könnten Schaden nehmen.

Tatsächlich, erklärt Atmosphärenphysiker Robert Höller vom Österreichischen Umweltbundesamt, zähle die Luft über weiten Teilen Chinas mit Peking im Zentrum noch immer zur schlechtesten auf diesem Globus: "Die Feinstaubkonzentration ist oft so hoch, dass auf Satellitenbildern von Ostchina der Boden nicht mehr zu sehen ist." Besonders während der Sommermonate, also just zu Zeiten der Olympischen Spiele 2008.

Und das, obwohl die Stadtverwaltung von Peking offiziellen Angaben zufolge bisher bereits umgerechnet rund 2,5 Milliarden Euro in Maßnahmen zur Luftverbesserung investiert haben will: verstärkte Umstellung von Kohle auf Gas, besonders für Heizungen und Kochstellen in privaten Haushalten, Aufrüstung von Fahrzeugen mit umweltschonenderen Technologien, Ausbau des öffentlichen Verkehsnetzes, Schließung oder Verlegung von Fabriken und sogar Begrünung von Dächern - wenngleich laut Medienberichten lediglich 100.000 Quadratmeter Dachfläche bepflanzt, der Rest einfach grün angestrichen worden sein soll.

Selbst abwechselnd auf gerade und ungerade Kennzeichen zielende Fahrverbote für die rund 2,8 Millionen Pekinger Autos seien bereits positiv getestet worden. In der Versuchswoche sei das Verkehrsaufkommen um täglich fast eine Million Fahrzeuge reduziert worden. Und damit auch die Schadstoffbelastung.

Global verteilter Dreck

Robert Höller, der in Japan den aus China stammenden Feinstaub erforschte ("selbst Grenzwertüberschreitungen in Hawaii, Kalifornien und Alaska werden teils durch chinesische Emissionen verursacht, das ist längst ein globales Problem"), glaubt dennoch nicht, dass das Reich der Mitte bis zu den Spielen das Luftgüteproblem lösen wird. Auch die Ergebnisse der jüngsten Studie zum Thema, heuer im Fachmagazin Atmospheric Environment publiziert, stellen dies in Frage.

Feinstaub sind winzige, unter zehn Mikrometer große Partikel in der Luft, die von Schleimhaut und Härchen der Atemwege nicht aufgehalten werden können, sich daher in der Lunge absetzen. Einige sind so klein, dass sie Zellwände durchdringen, sich über die Blutbahn im ganzen Körper ausbreiten können. Im Feinstaub sind giftige (Schwer-)Metalle, organische Verbindungen, (Diesel-)Ruß und Staub. Sie entstehen bei natürlichen Prozessen, besonders aber bei industriellen Prozessen, bei Verbrennungsvorgängen und durch Reifen-, Brems- und Metallabrieb im Straßen- und Schienenverkehr. Gesundheitlich stehen sie in Zusammenhang mit Allergien, Atemwegserkrankungen (von Asthma bis Lungenkrebs) sowie Herz-Kreislauferkrankungen.

Die Weltgesundheitsorganisation verweigert einen Grenzwert für die winzigen Partikel, da es keinen Wert gebe, unter dem kein Gesundheitsrisiko bestehe - Nullkonzentration gibt es nicht. Die EU setzt den Grenzwert bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter an, China hält den dreifachen Wert für ausreichend. "Laut Satellitendaten", erklärt Höller, "beträgt die durchschnittliche Feinstaubkonzentration in Peking 150 Mikrogramm, an einigen Tagen sogar 300." Im Vergleich dazu: In Wien liegt sie bei 26 Mikrogramm.

Quantität frisst Qualität

Chinas bisherige Investitionen in die Verbesserung der Luftqualität, bedauert der Physiker, würden von explodierenden Quantitäten zunichte gemacht: "Selbst wenn China Katalysatoren in Fahrzeuge einbaut - wenn in gut zehn Jahren die Zahl der Autos versechsfacht wird, kehrt sich der positive Effekt ins Negative."

Was also tun, um Athleten während der Spiele keiner zu dicken Luft auszusetzen? Laut US-chinesischer Studie unter Leitung von David Streets vom Argonne National Laboratory würde selbst eine (utopische) Reduktion von Pekings Emissionen auf Null die Belastung für Sportler noch immer weit über dem EU-Grenzwert belassen. Weil bis zu 70 Prozent des Feinstaubs und auch bis zu 30 Prozent des gesundheitsabträglichen Ozons in Pekings Luft aus den mit Schwerindustrie und Kohlekraftwerken voll gepferchten Nachbarprovinzen Hedei und Shandong stammen.

Doch würde man kommenden August auch dortige Fabriken zusperren und die Kohlekraftwerke stilllegen, würde man nicht nur eine Wirtschaftskrise verursachen, sondern den Spielen wohl buchstäblich das Licht abdrehen. Um also eine für die Wettkämpfe annehmbare Luftgütequalität zu erreichen, schließen die Autoren der Studie, müsse sich China schleunigst etwas einfallen lassen und die Bemühungen nicht wie bisher auf Peking beschränken. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2008)