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Glückwünsche zum Geburtstag und zum Nobelpreis: Bei Gerhard Ertl glühte am Mittwoch das Telefon.

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Die Wabenstruktur eines Katalysators (rechts): Gerhard Ertl untersuchte, welche Prozesse an seiner Oberfläche stattfinden.

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Nun wurde mit ihm erstmals seit 1988 wieder ein Deutscher mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

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Stockholm - Die Sektkorken hätten wohl sowieso geknallt, schließlich war gestrige Mittwoch Gerhard Ertls 71. Geburtstag. Doch gegen Mittag versammelten sich auch alle seine Mitarbeiter vor seinem Büro im Berliner Fritz-Haber-Institut, um mit ihm anzustoßen. Denn gerade war bekanntgeworden, dass Ertl den diesjährigen Nobelpreis für Chemie erhalten würde.

Das Preiskomitee würdigt damit seine jahrzehntewährende Arbeit über die chemischen Reaktionen an festen Körpern. Er habe die Grundlage für die moderne Oberflächenchemie geschaffen, genauer "schrittweise eine Methodik (für dieses Gebiet) entwickelt, indem er zeigte, wie verschiedene experimentelle Techniken verwendet werden können, um ein vollständiges Bild einer Oberflächenreaktion zu erhalten".

Bei solchen Beschreibungen denkt man etwa an Rost oder an Katalysatoren und liegt damit nicht falsch. Auch die Funktion von Brennstoffzellen, die Produktionsweisen in der Halbleiterindustrie oder von Kunstdünger fallen unter diesen Zweig der Chemie, dessen Grundlagen Ertl erforscht.

1936 in Bad Cannstadt geboren, studierte Ertl Physik in Stuttgart, an der Sorbonne und in München. Über die Metallforschung gelangte er an die TU München, forschte über katalytische Oxidation und wurde 1973 Professor für physikalische Chemie.

Ammoniaksynthese

Schon damals und erst recht während Studienaufenthalten in den USA nutzte er die neuesten Forschungsmethoden und -apparaturen, um den Grenzreaktionen im molekularen Bereich buchstäblich auf den Grund zu gehen. In der Surface Science hatte er als gerade Promovierter veröffentlicht. Kaum waren Rastertunnelmikroskope erhältlich, nutzte er eines zur Sichtbarmachung von Diffusionsprozessen. Besonders intensiv beschäftige er sich mit der Oxidation von Kohlenmonoxid zu -dioxid an kristallinen Oberflächen.

Er trug Entscheidendes zum Verständnis der Ammoniaksynthese bei: ein Nachweis, der seit der Entdeckung des Prozesses durch Fritz Haber im frühen 20. Jahrhundert fällig war.

An dem nach diesem Chemiker benannten Institut leitete er für viele Jahre die Physikalische Chemie, alle drei Berliner Universitäten verliehen ihm im Laufe seiner Tätigkeit in der Hauptstadt Ehrenprofessuren. Etliche weitere Hochschulen im In- und Ausland taten desgleichen, der Autor des fünfbändigen Standardwerks "Heterogene Katalyse" war in der Fachwelt längst ein Begriff - und ein Kandidat für die höchste wissenschaftliche Auszeichnung (den ebenfalls hoch angesehenen Wolf-Preis erhielt er 1998).

Ertl selbst war laut eigener Aussage "sprachlos". Er habe zwar gewusst, dass er zu den Kandidaten gehört habe. Aber um die Anerkennung in der Höhe von 1,1 Millionen Euro recht zu würdigen, bat er sich 20 Minuten Zeit aus. Dann kam der Sekt.

Seit 1988 (Deisenhofer, Huber, Michel) hat es keinen Chemie-Nobelpreis für einen Deutschen gegeben. Letztes Jahr wurde Roger Kornberg (Genetiker, USA) ausgezeichnet. Die diesjährigen Preise werden am 10. Dezember überreicht. (mf, APA/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 10. 2007)