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Ein Militärlastwagen nahe der türkisch-irakischen Grenze.

Foto: AP /Burhan Ozbilici
Washington/Istanbul - Nach dem Grundsatzbeschluss der türkischen Regierung für eine Militärintervention im Nordirak hat die Armee nach Presseberichten damit begonnen, Dörfer im Nachbarland unter Beschuss zu nehmen. In der Gegend seien rund 200 Geschosse eingeschlagen, meldete die Zeitung "Hürriyet" am Mittwoch. In den beschossenen Dörfern werden Stellungen der kurdischen Rebellengruppe PKK vermutet. Auch die pro-kurdische Nachrichtenagentur ANF meldete türkischen Artilleriebeschuss auf Ziele in Nordirak. Laut "Hürriyet" wurden zudem türkische Panzerverbände an die Grenze zu Irak verlegt.

20 Kurden festgenommen

Die türkischen Behörden haben an einem Grenzübergang zum Irak 20 mutmaßliche kurdische Rebellen festgenommen. Nach Angaben des Gouverneursbüros in Sirnak vom Mittwoch wurden die Verdächtigen am Übergang Habur gefasst. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt.

Grenzüberschreitung Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat unterdessen bestätigt, dass seine Regierung plane, die Streitkräfte zu einer grenzüberschreitenden Militäroperation zu ermächtigen, um die Stützpunkte der kurdischen PKK-Rebellen im Nordirak anzugreifen.

Die Regierung hatte am Dienstag eine entsprechende Parlamentsentscheidung auf den Weg gebracht. Nach Presseberichten soll die Abstimmung darüber kommende Woche stattfinden.

Bei dem ins Auge gefassten Einmarsch will die Türkei gegen Stützpunkte der PKK in Nordirak vorgehen. Die kurdischen Rebellen hatten in jüngster Zeit ihre vom Nordirak aus gesteuerten Angriffe in der Türkei verstärkt; in den vergangenen zehn Tagen starben nach amtlichen türkischen Angaben bei PKK-Überfällen fast 30 Menschen. Allein am Wochenende wurden 13 türkische Soldaten bei einem PKK-Überfall in der Provinz Sirnak getötet. Türkische Medien berichteten, in der Gegend seien mehrere tausend türkische Soldaten auf der Jagd nach rund 80 PKK-Rebellen, die für den Überfall vom Wochenende verantwortlich gewesen sein sollen.

USA warnen

Die USA warnten die Türkei davor, in den Irak vorzudringen. "Ich bin mir nicht sicher, ob ein einseitiges Vordringen die Lösung für dieses Problem ist", sagte Außenamtssprecher Sean McCormack am Dienstag in Washington. Die Türkei und der Irak müssten vielmehr zusammenarbeiten, um Gewalttaten von kurdischen Aufständischen zu verhindern.

Zuvor hatte McCormack die kurdischen Angriffe verurteilt. "Die Gewalt der PKK bedroht nicht nur die Türkei, sondern unterläuft auch die Sicherheit und das Wohlergehen des Irak", hieß es in einer Erklärung. Die Sprecherin von US-Präsident George W. Bush, Dana Perino, bezeichnete ein Eindringen türkischer Soldaten auf irakisches Gebiet als "hypothetisch". Zugleich betonte sie, dass die USA die Türkei schon seit langem im Kampf gegen Terrorakte unterstützten.

Wichtiger Verbündeter

Die Türkei ist ein wichtiger Verbündeter der USA in der Region. Zugleich hat Washington kein Interesse daran, dass in dem von Gewalt erschütterten Irak auch der Konflikt zwischen Türken und kurdischen Rebellen ausgetragen wird. Das Kurdengebiet im Irak gehört zu den stabilsten Regionen des Landes, seine Bewohner sind wichtige Unterstützer der USA. Für November ist ein Besuch Erdogans bei US-Präsident Bush geplant.

Von türkischer Seite wird den USA vorgeworfen, zu wenig gegen kurdische Angriffe zu unternehmen. "Seit Monaten wartet die Türkei vergeblich auf Aktionen von Seiten der USA", sagte der frühere türkische Botschafter in Washington, Faruk Logoglu.

"Nützlich"

Armeechef Yasar Büyükanit hatte einen Schlag gegen im Irak verschanzte PKK-Kämpfer als "sehr nützlich" bezeichnet. Dem Druck der Armee gab Erdogan schließlich nach, als er ankündigte, bei der Bekämpfung kurdischer Rebellen werde nun auch ein Grenzübertritt der Soldaten in den Irak nicht mehr ausgeschlossen.

"Wenn die Regierung ihr grünes Licht im April gegeben hätte, als die Armee es zum ersten Mal forderte, gäbe es heute nicht so viele Tote", sagte der General im Ruhestand, Necati Özgen.

Das türkisch-amerikanische Verhältnis ist zur Zeit auch wegen eines anderen Themas getrübt. Der Außenpolitische Ausschuss des Repräsentantenhauses wird am Mittwoch über eine Vorlage abstimmen, in der der Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" bezeichnet wird. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül warnte in einem Brief an Bush, die Resolution werde die Beziehungen beider Staaten belasten. Bush hat bereits seinen Widerstand gegen die Kongress-Resolution angekündigt. (APA/red)