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Foto: APA/Jäger
Es ist schon ein Bild mit Seltenheitswert, das es fast jeden Sonntag in der Gemeinde Ungenach zu sehen gibt: eine Pfarrkirche gesteckt voll mit Gläubigen. "Das Gemeinschaftsgefühl ist der Schlüssel für vieles", interpretiert Pfarrer Josef Friedl dieses Bild. Der Pfarrer selbst sei der Schlüssel, erklären die Einwohner. "Denn er lebt mitten unter uns, ist weltoffen und ein sehr umsichtiger Mensch", beschreibt ihn Amtsleiter Franz Asamer. Er kennt den Priester "schon ewig", schließlich führt dieser seit 30 Jahren die Pfarre in Ungenach. Und schon ewig geht Friedl auf ein, zwei Seidel Bier zum Kirchenwirt, um mit den Leuten zu reden. Seine Beliebtheit lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: In der 1400-Seelen-Gemeinde sind 175 Männer bei der katholischen Männerbewegung und 225 Frauen engagieren sich in der Frauenbewegung.

"Versuche jeden erst einmal zu verstehen, und tue das Wenige, was du tun kannst", lautet Friedls Lebenseinstellung. So habe er auch nicht überlegen müssen, als er gefragt wurde, ob er die flüchtige Arigona in seine Obhut nehmen könne. Seitdem hat er kaum mehr geschlafen, redet nächtelang mit Politikern und Arigona, nimmt sich Zeit für das Mädchen, die in Ungenach untergebracht ist. Zum Radfahren komme er deshalb momentan "leider nicht". Dabei "habe ich mir gerade erst im Ausverkauf ein neues Rad gekauft".

Die Offenheit für jegliche Sorgen und Nöte ist es auch, was die (pubertierenden) Jugendlichen schon immer so sehr an ihm liebten - und was durchaus argwöhnisch beäugt wurde. Bevor Friedl die Pfarre in Ungenach übernahm, unterrichtete der gebürtige Oberösterreicher in Vöcklabruck Religion. Unter seinen Schülern gab es dann auffallend viele Zivildiener, was in Vöcklabruck für Ärger sorgte, erzählt eine ehemalige Schülerin. "Wir haben mit ihm über Nietzsche und den Nihilismus diskutiert, oder er hat uns die Bedeutung von Basisdemokratie erklärt", erinnert sie sich.

Doch diese (Welt-)Offenheit passte in dem kleinbürgerlichen Vöcklabruck nicht jedem. Auf einmal wurde versucht, Druck auf den Geistlichen auszuüben. "Das stimmt", sagt er nur dazu - genauso wie die Tatsache, dass er dann die Pfarre in Ungenach übertragen bekam.

Eine "Versetzung" sei dies aber nicht gewesen, sagt der Pfarrer. Vielmehr habe der damalige Pfarrer einen Nervenzusammenbruch erlitten, fügt Friedl an. Um bloß nicht den Eindruck zu vermitteln, er würde sich vertreiben lassen, blieb er anfangs noch bewusst in Vöcklabruck wohnen.

"Konkret handeln und dazu stehen", das zieht der Pfarrer konsequent durch. Seit Jahren hat er eine Lebensgefährtin. "Mir hat die Kirche immer Freiheit gewährt", sagt er selbstbewusst. Trotz Freundin wurde er 2001 Dechant des Dekanats Schwanenstadt. (Kerstin Scheller/DER STANDARD, Printausgabe, 11.10.2007)