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Walter Veltroni hat keine Gegner im Kampf um den Vorsitz des neuen Partito Democratico. In Umfragen sind 75 Prozent der Parteigänger für ihn.

Foto: Reuters/Bianchi
In Italien entsteht am Wochenende eine große sozialdemokratische Partei. Roms Bürgermeister Walter Veltroni soll ihr Chef werden - und muss gleich in den Umfragen gegen Silvio Berlusconi aufholen.

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Der Sieger steht bereits vor der Wahl fest. Wenn am kommenden Wochenende in Italien der Vorsitzende des neuen Partito Democratico gewählt wird, hat Roms Bürgermeister Walter Veltroni keine Rivalen. Nach den letzten Umfragen lässt er mit 75 Prozent alle Gegner um Längen hinter sich.

Doch der bisher größte Erfolg seiner politischen Laufbahn könnte für den ehemaligen Vizepremier zum Pyrrhussieg ausarten. Denn nach jahrelangen Debatten kommt die Gründung einer starken sozialdemokratischen Partei nach mitteleuropäischem Vorbild für Italiens Linke zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Das Ulivo-Bündnis liegt zehn Prozentpunkte hinter der Opposition. Der Unmut der Bürger über die Ineffizienz der Politik war nie größer als jetzt, wo 34 Prozent aller Italiener den Kabarettisten Beppe Grillo als Ministerpräsidenten wünschen. Das Bestsellerbuch "Die Kaste", das die skandalösen Privilegien italienischer Politiker anprangert, hat die Millionengrenze erreicht. Politiker aller Couleurs warnen eindringlich: die Welle der "Antipolitica" könnte das Parteiensystem hinwegfegen wie zu Beginn der Neunzigerjahre.

Dementsprechend gedämpft sind die Erwartungen. Statt der erhofften 32 Prozent kann der Partito Democratico derzeit nur mit 26 Prozent rechnen - weniger als Silvio Berlusconis Forza Italia. Die neue Partei ist zwar ein längst fälliger Akt politischer Flurbereinigung, wird jedoch von der Entstehung von vier neuen Kleinparteien begleitet. 150 Parteien tummeln sich im Parlament und in den Landtagen, jede Woche kommt eine neue dazu.

"Wir sind ein Single-Issue-Volk"

"Wir sind ein Volk von Single Issues, jeder will eine Partei nach Maß", lästert der Soziologe Luca Ricolfi. "Kaum haben sich Linke und Christdemokraten auf eine neue Großpartei verständigt, da bilden die Unzufriedenen schon neue politische Formationen."

Romano Prodi, Europas einziger Ministerpräsident ohne eigene Partei, sieht trotz ungünstiger Begleitumstände Anlass zur Genugtuung. Über Jahre hatte er Linksdemokraten und Margherita zum Zusammenschluss animiert. Doch um die Nachfahren der stärksten kommunistischen Partei des Westens und jene der einst allmächtigen Democrazia Cristiana zusammenzuführen, musste viel ideologischer Sperrmüll aus dem Weg geräumt werden.

Auch Piero Fassino, der sein Amt als Parteichef der Linksdemokraten nun verliert, übt sich in Zweckoptimismus: "Wir sind eine moderne europäische Reformpartei." Vergeblich hatte er sein Parteivolk zur Geschlossenheit aufgefordert. Der linke Flügel um Universitätsminister Fabio Mussi mochte die Einigung allerdings nicht mitvollziehen und bildete eine neue Fraktion im Parlament.

Vorwahlen am Sonntag

Als erster wichtiger Test gilt am kommenden Sonntag die Wahlbeteiligung. Eineinhalb Millionen Teilnehmer an der Vorwahl gelten als Wunschziel. 35.000 Kandidaten auf 2300 Listen stehen für die Gründungsversammlung und die 20 Landesorganisationen zur Wahl. Parität zwischen Männern und Frauen ist vorgeschrieben. Jeder Wähler muss mit einem Euro zur Deckung der Kosten beitragen.

Mit gemischten Gefühlen wird vor allem der haushohe Favorit die Wahlen verfolgen. Denn der neue Parteichef rückt automatisch zum Spitzenkandidaten des Linksbündnisses auf. Für Walter Veltroni beginnt damit die eigentliche Zitterpartie.

Stürzt Ministerpräsident Romano Prodi - was bei jeder Senatsabstimmung passieren könnte - in den nächsten Monaten, könnte auch ein versierter und mediengewandter Politiker wie Veltroni das Steuer bis zu Neuwahlen im Frühjahr wohl kaum herumreißen. (Gerhard Mumelter aus Rom , DER STANDARD, Printausgabe 11.10.2007)