Zurück zur Montage: Der erste Boeing-787-Dreamliner war bei der Premiere nur ein Art potemkinsches Dorf und alles andere als flugfähig.

Foto: Standard/Helmut Spudich
Verspätungen sind offenbar das ungeschriebene Gesetz der Lüfte. Während in Kürze der erste Airbus-Riesenjumbo A380 verspätet an den Start rollt, hat jetzt auch Boeing die Auslieferung des ersten 787 "Dreamliner" verschoben. Zulieferer FACC erwartet aber keine Schwierigkeiten.

***

Seattle/Wien – Nachdem US-Flugzeughersteller Boeing monatelang die Terminprobleme seines europäischen Konkurrenten Airbus mit Schadenfreude verfolgte und sein Auftragsbuch für das Konkurrenzprodukt 787 "Dreamliner" überging, ist jetzt die Reihe an Boeing selbst, Fertigungsprobleme zuzugeben.

Mittwochabend gab Boeing bekannt, dass sich die Auslieferung der ersten Maschinen an die japanische Airline ANA und 14 weitere Kunden mindestens sechs Monate verzögern und erst November oder Dezember 2008 erfolgen werde. Kommenden Montag wird mit zweijähriger Verspätung der erste Airbus 380 an Singapore Airlines ausgeliefert.

Bereits zuvor gab es deutliche Berichte über Schwierigkeiten, unter anderem über fehlende Titan-Bolzen für den Zusammenbau des Kunststoffrumpfs der 787. Boeing hatte diese Berichte jeweils zurück gewiesen, musste jedoch im September einräumen, dass der im Sommer erwartete Erstflug auf Frühjahr 2008 verschoben wurde.

Jetzt stellte sich heraus, dass das Roll-out am 8. Juli (7-8-7 in US-Schreibweise) vor 15.000 Zusehern eigentlich nur Schmäh war: Der glänzende Jet wurde durch provisorische Bolzen zusammengehalten und beinhaltete keinerlei Verkabelungen oder sonstige zum Flug nötige Ausstattung. Erst nachdem das Gerät wieder auseinander genommen wurde hätten Boeing-Techniker erkannt, dass zur Fertigstellung erheblich mehr Zeit als geplant nötig sei. Der Grund liegt laut Boeing darin, dass bei diesem Flugzeug erstmals die Fertigstellung wesentlicher Produktionsteile an die Zulieferer auslagert wird, wodurch sich die Produktionszeit einer 787 bei Boeing selbst auf drei Tage verkürzen soll. Bei anderen Flugzeugtypen wie der 737 liegt sie bei elf Tagen.

Gleichzeitig ist dies das erste Verkehrsflugzeug der Welt, das zur Hälfte aus Karbonfaser gebaut wird; bei der A380 liegt der Anteil bei 20 Prozent. Auch dies bringt neue Herausforderungen, die offenbar von Boeing nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Bis Ende 2009 will Boeing die Verspätung jedoch aufgeholt haben: Bis dahin sollen 109 statt ursprünglich geplanter 112 Maschinen fertiggestellt werden. Insgesamt hat Boeing derzeit 710 Bestellungen von 50 Kunden.

Dem heimischen Zulieferer FACC kommt die Verzögerung sogar entgegen, erklärte FACC-Chef Walter Stephan dem Standard. Die starke Flugzeugkonjunktur würde FACC wesentlich stärker als erwartet auslasten, der heuer erwartete Umsatz von 223 Mio. Euro liege real bei 245 Mio. Euro. Die 787-Verspätung erlaube es, das Wachstum "schöner zu verwischen" ohne Engpässe aufwändig beseitigen zu müssen, sagte Stephan. Großen Erfolg verzeichnet FACC mit seiner neuen Innenausstattung für den Airbus A320, die für 70 statt nur 30 Prozent aller Maschinen geliefert werden. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2007)