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Das Foto aus dem Jahr 1919, herausgegeben vom Armenischen Nationalarchiv, zeigt die Leichen armenischer Opfer in der nordsyrischen Stadt Aleppo.

Foto: AP/Armenian National Archives, HO
Wien - Die damaligen Verbündeten der Türkei, Deutschland und Österreich-Ungarn, waren nachweislich über die bürokratisch geplante Verfolgung und Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg informiert. Das geht nicht zuletzt aus den umfangreichen Aufzeichnungen des österreichisch-ungarischen Militärattachés und k.u.k. Feldmarschall-Leutnants Joseph Ritter von Pomiankowski und den Berichten mehrerer deutscher Diplomaten hervor. Maßgebliche Zeithistoriker verweisen auch auf die "Vorbildwirkung" des Genozids für die deutschen Nationalsozialisten. Mehrere Aussprüche Adolf Hitlers in diesem Zusammenhang sind aktenkundig.

Zensur

"Unsere freundschaftlichen Beziehungen (mit der Türkei) dürfen durch diese innertürkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefährdet, sondern nicht einmal geprüft werden", hieß es in einer deutschen Zensurvorschrift von 1915. "Über die armenische Frage wird am besten geschwiegen." Der einzige deutsche Reichstagsabgeordnete, der den Mord an den Armeniern anzuprangern versuchte, war der damals noch zur sozialdemokratischen Fraktion gehörenden spätere KPD-Gründer Karl Liebknecht. "Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, dass unsere türkischen Bundesgenossen die Armenier zu Hunderttausenden niedermachen?" fragte er am 11. Jänner 1916 im Reichstag, worauf die Sitzung vom Parlamentspräsidium mit lautem Glockenklang abgebrochen wurde.

Obwohl die Berichterstattung der Zensur unterlag, verbreiteten kleine Missionsblätter Informationen über den Völkermord. So schrieb Mitte 1916 die "Christliche Welt": "Wir stehen vor einer der größten Katastrophen, die die Geschichte kennt." In Ost- und Westanatolien befänden sich keine Armenier mehr. Etwa eine Million seien deportiert worden und Hunderttausende umgekommen. Der deutsche Konsul Walter Rössler berichtete schon im Mai 1915 aus Aleppo über die Vernichtung der Armenier in ganzen Verwaltungsbezirken.

Diplomaten genau informiert

Die deutschen und österreichisch-ungarischen Diplomaten wussten genau, was vor sich ging. Der deutsche Botschafter Werner Freiherr von Wangenheim kabelte nach Berlin, "dass die Regierung tatsächlich das Ziel verfolgt, die armenische Rasse zu vernichten." Das Schlimmste sei, jammerte Wangenheim, "dass die ganze Welt die Schuld auf Deutschland abwälzen wird, da Freund und Feind glaubt, die Macht liege ganz in unseren Händen und eine so tiefgehende Maßnahme könne nur mit unserer Zustimmung ausgeführt werden".

1913 hatte Kaiser Wilhelm II. 42 hohe deutsche Offiziere mit General Otto Liman von Sanders (vom Sultan zum Pascha ernannt) an der Spitze zur Unterstützung der osmanischen Armee in die Türkei entsandt. Liman hatte mit Sitz und Stimme im Obersten Kriegsrat die Möglichkeit, auf alle militärischen Entscheidungen der Türken Einfluss zu nehmen.

Deutsche Offiziere halfen bei Erschießungen und Deportation

Wie der Schweizer Historiker Christoph Dinkel nachweisen konnte, sind deutsche Offiziere nicht nur gegen die Armenier eingetreten, sie haben sogar selbst Deportationen durchgeführt und mitgeschossen. "Es kann nicht geleugnet werden, dass deutsche Offiziere - und ich gehöre auch dazu - zu bestimmten Zeiten den Rat geben mussten, gewisse Gebiete im Rücken der Armee von Armeniern frei zu machen", zitiert Dinkel den seinerzeitigen deutschen Operationschef im türkischen Generalhauptquartier Otto von Feldmann.

Der österreichische Generalkonsul in Trapezunt (Trabzon), Ernst von Kwiatkowski, berichtete am 22. Oktober 1915 nach Wien: "Aus deutscher Quelle erfahre ich, dass die erste Anregung zur Unschädlichmachung der Armenier von deutscher Seite erfolgt sei." Liman beschuldigte "die Armenier", auf der Seite der Russen zu stehen. "Das ganze armenische Volk hat sich schuldig gemacht", schrieb Felix Guse, der ranghöchste deutsche Offizier an der kaukasischen Front.

"Verwahrung"

Der von deutschen Katholikenkreisen um den Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger (der die erschreckenden Nachrichten von Franziskanermönchen erhalten hatte) erzeugte Druck veranlasste die deutsche Regierung 1916 bei der türkischen Regierung "Verwahrung" gegen die grausame Behandlung der Armenier einzulegen. Daraufhin forderte Kriegsminister Enver Pascha mit Erfolg die Abberufung des deutschen Botschafters Paul von Wolff-Metternich. (APA/red)