Familie Schnetzer, Vorarlberg Zwei Söhne leben mit ihrer Mutter und ihren Familien in einem Mehrfamilienhaus

Foto: © Helmut Wimmer

Frau und Herr Moser, Kärnten Sie haben sich erst mit 60 kennen gelernt und geheiratet. Bei Frau Moser wurde Alzheimer diagnostiziert

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Frau Hartl und Sohn, Oberösterreich Ein 52-jähriger Mann hat die Pflege seiner über 90 Jahre alten Mutter übernommen

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Familie Brunner, Kärnten Drei Generationen einer Bauernfamilie leben unter einem Dach. Hauptbetreuerin ist die Ehefrau des Altbauern

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Frau und Herr Laad, Wien Bald feiern sie ihre diamantene Hochzeit

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"Muss ich morgen kochen?", fragt Frau Schnetzer ihren Sohn mitunter bis zu zehn Mal innerhalb kurzer Zeit. Nicht um auf Nummer sicher zu gehen – Frau Schnetzer vergisst ganz einfach, dass sie dieselbe Frage vor wenigen Minuten schon einmal gestellt hat – sie leidet an Alzheimer. Ein kleines Beispiel nur, das vermuten lässt wie schwierig das Zusammenleben mit Alzheimerkranken unter einem Dach sein kann.

Lebensportraits

Fünf Alzheimerkranke, fünf verschiedene Geschichten und Lebensumstände – 'Zurück zu einem unbekannten Anfang' von Helmut Wimmer und Maria Hoppe begleitet Alzheimerkranke und die Menschen, die sie pflegen ein Stück in ihrem Alltagsleben. Fünf Familien wagen dieses Experiment des Zusammenlebens und nicht alle wollen oder dürfen sich Hilfe von außen holen. Eingebettet in die Großfamilie mit mehreren Generationen, allein lebende Ehepaare oder eine Mutter-Sohn-Beziehung – die Lebenssituationen sind individuell.

Geduldig sein

"Ich bin ganz durcheinander", sagt Frau Moser auf der Suche nach Kaffee, die länger als normal dauert. Dass die Geduld der Angehörigen durchaus immer wieder aufs Neue auf die Probe gestellt wird, zeigt sich unterschiedlich: Heute als Sohn erkannt, morgen als Ehemann oder übermorgen gar nicht wirklich, macht zu schaffen und auch traurig. Und dass Herr Brunner nach mehreren Versuchen seiner Frau ihn ins Bett zu bringen, sich beim x-ten Mal plötzlich nicht mehr vehement weigert, hat nichts mit Böswilligkeit zu tun – er kann sich einfach nicht mehr daran erinnern.

Gestern

Fotos von früher anschauen, dieses Bild läuft wie ein roter Faden durch den Film. Fängt das Krankheitsphänomen doch damit an, dass das Kurzzeitgedächtnis langsam nachlässt und Erinnerungen aus der Vergangenheit präsenter werden. Doch die eigenen Kinder auf Bildern von früher erkennen, auch das ist bei Weitem nicht selbstverständlich. Dass Herr Brunner nicht mehr weiß, dass er Jahrzehnte mit seiner Frau verheiratet ist, erstaunt ihn jedes Mal aufs Neue, wenn sie es ihm erzählt.

Wechselbad

Traurige Momente und Situationen an der Geduldsgrenze wechseln sich mit glücklichen Momenten und emotionalen und körperlichen Herausforderungen in den Lebensportraits ab. Dennoch ist der Film hoffnungsfroh und zaubert manchmal auch ein Schmunzeln ins Gesicht, denn die "Verwirrtheit" wissen die Betroffenen auch mit einem gewissen Charme zu paaren. Die tatsächliche Bewusstseinsebene der alten Menschen bleibt aber unergründlich, sie leben in ihrer eigenen Welt, die den pflegenden Angehörigen größtenteils unerschlossen bleibt.

Über das Altern

Die Porträts erzählen über die Krankheit hinaus auch Geschichten über das Altern selbst. In der heutigen Gesellschaft wird es immer mehr zu einer unerwünschten Begleiterscheinung des Lebens. Schon allein die Ahnung vom eigenen Altsein lässt sich nicht festlegen, ist es doch schwierig sich vorzustellen "wie es später wohl einmal sein wird".

Wertvoll

'Zurück zu einem unbekannten Anfang' macht darauf aufmerksam, dass es gilt, jene Menschen zu integrieren, die uns an ein Gestern erinnern, während sie gleichzeitig gemeinsam mit uns auf dem Weg ins Morgen sind. Dass der Umgang mit ihnen auf Wertschätzung aufbaut, ist 100 Minuten lang zu spüren. (Marietta Türk, derStandard.at, 11.10.2007)