Was hier angebissen auf einer Sachertorte thront, hieß im Bundesdeutschen bis vor einiger Zeit noch "Mohrenkopf" oder "Negerkuss" - heute korrekterweise "Schokokuss". Im Österreichischen ist es ohnehin eine "Schwedenbombe" ... und im Bayerischen ein "Bumskopf".

Foto: Matthias Cremer
Wie kommt es, dass Worte, die noch die Elterngeneration ohne Probleme in den Mund nehmen konnte, heute verpönt sind? Dieser Frage widmete die Sprachwissenschafterin Ulrike Kramer ihre Diplomarbeit. Schon der Titel macht Lust aufs Weiterlesen: "Von Negerküssen und Mohrenköpfen". Im Untertitel wird dann erklärt, worum es in dieser Arbeit tatsächlich geht: Begriffe wie "Neger" und "Mohr" im Spiegel der Political Correctness. Wörter wie "Nigger", "Neger", "Mohr", "Farbiger", "Schwarzer", "Afrikaner" und "Schwarzafrikaner" werden einer Wortschatzanalyse unterzogen. Darüber hinaus wird der Bedeutungswandel, den diese Lexeme im Lauf der Jahrhunderte erfahren haben, ausführlich behandelt.

Die Autorin spannt einen gelungenen Bogen vom ersten Teil der Arbeit, der sich mit Geschichte und Theorie beschäftigt, zum zweiten Teil, der die ausgewählten Begriffe analysiert.

Kultivierte und primitive Exoten

Kurz zum Inhalt: "Im Lauf der Geschichte wurde die dunkle Hautfarbe des Afrikaners immer wieder zu seinem Nachteil ausgelegt." (Zitat S.9). Auch die Tatsache, dass vor allem die Nordafrikaner keine Christen, sondern Muslime waren, was für europäische Christen das selbe bedeutete wie Ungläubige, wurde ihnen als Nachteil ausgelegt. Die erstmalige Begegnung mit Westafrikanern, die unbekleidet waren, hat die Europäer in ihrem Glauben bestärkt, dass Afrikaner ungebildet und kulturlos seien. Im 18. Jahrhundert wurden die Schwarzen zunehmend als "Neger" bezeichnet, "was im Gegensatz zu dem kultivierten Exoten eine primitive Kreatur zeichnete, der die menschlichen Eigenschaften abgesprochen wurden" (Zitat S. 11). Im Zuge der Aufklärung entstehen die ersten Rassentheorien, die dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem jedoch während des Nationalsozialismus ihre furchtbare Wirkung entfalteten.

Politisch korrekt

Die Kapitel drei und vier sind der Political Correctness gewidmet. Es wird sowohl die Bedeutung im anglo-amerikanischen als auch im deutschen Sprachraum beleuchtet, da der Terminus im deutschen Sprachraum eine eigenständige Entwicklung genommen hat. Gemeinsam ist dem deutschen und dem amerikanischen Political Correctness-Begriff, dass sie mit einer linksorientierten Gesinnung in Beziehung gebracht werden. Die linguistischen Grundlagen von Political Correctness werden sehr ausführlich dargelegt. In der Analyse der lexikalischen Einheiten "Nigger", "Neger", "Mohr", "Farbiger", "Schwarze" und "Afrikaner" benützt Ulrike Kramer eine repräsentative Anzahl an Wörterbüchern als Untersuchungsgrundlage, um den Bedeutungswandel darzustellen. Das Lexem "Neger" wird inzwischen in jedem von ihr untersuchten Wörterbuch als abwertend gekennzeichnet. Sie weist jedoch darauf hin, dass das Wort "Neger" sogar im Schimpfwörterbuch (!) verzeichnet ist.

Sprachalltag

Im Kapitel "Ausblicke und Konsequenzen" wirft die Autorin noch einmal die Frage auf, wie mit dem Wort "Neger" (und auch den anderen hier behandelten lexikalischen Einheiten) im Alltag umgegangen werden soll.

Die Diplomarbeit ist sehr ausführlich und umfassend ausgearbeitet. Ulrike Kramer hat hervorragend recherchiert und auch den gendergerechten Sprachgebrauch der Lexeme untersucht.

Die Ausblicke und Konsequenzen scheinen mit etwas zu kurz beziehungsweise einseitig beleuchtet, da die Autorin nur die Schule als Stätte für Sensibilisierung für den Sprachgebrauch vorschlägt. Es stellt sich die Frage, wie man bildungsferne oder auch ältere Menschen erreichen kann, um sie ebenfalls für dieses Thema zu interessieren. Diese Problematik würde zugleich den Rahmen der Diplomarbeit sprengen, deshalb ist es wünschenswert, über dieses Thema populärwissenschaftliche Bücher zu schreiben, um es so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.

Die Arbeit "Von Negerküssen und Mohrenköpfen. Begriffe wie Neger und Mohr im Spiegel der Political Correctness - Eine Wortschatzanalyse" (Ulrike Kramer, 2006) ist im Volltext nachzulesen.