Eine Politik, der es seit Jahren an der Fantasie fehlt, Fälle wie jene der Familie Zogaj und ihrer Tochter vorherzusehen, und daher erst recht an der Fähigkeit, sie zu verhindern, brüstet sich nun mit der Sturheit, weitermachen zu wollen, wie ein schändliches Gesetz es befiehlt, aus dem einzigen Grund, weil es auf ihrem Mist gewachsen ist, und mit der Unverschämtheit, ihre Behörden gegen jene zu mobilisieren, die ihrer Bürgerpflicht nachkommen, indem sie gegen ein System protestieren, das Humanität als Ausfluss individuell erteilter Gnadenakte betrachtet und Härte durch Willkür plausibel machen will.

In hunderten Fällen hat derselbe Minister heuer schon humanitären Aufenthalt gewährt, der sich auf einmal als nichts anderes mehr erkennen will denn als Vollzugsapparatschik im Namen des erwähnten Gesetzes. Was bisher geschah, ist schlimm genug, aber noch schlimmer ist, dass in den Wochen, in denen der Fall der Familie Zogaj eskalierte, über alles mögliche geschwätzt, aber die satte Selbstzufriedenheit über das einmal Beschlossene von keinem Hauch der Erkenntnis getrübt wurde, dass andere gesetzliche Verhältnisse einziehen müssen, sollen diesem Fall nicht demnächst andere folgen - eine ebenso einsame wie konsequenzlose Grauslichkeitsdefinition der Dienstauffassung des Innenministers ändert daran nichts.

Wo halten wir also? Der gewesene Bundeskanzler, dem wir das Gesetz vor allem verdanken, hat immerhin gleich die Schuldigen erkannt - es sind die Anwälte, die sich als Vertreter ihrer Klienten und nicht als Büttel der Obrigkeit verstehen wollen. Da haben wir einen Landeshauptmann, der sich zur Entlastung seines Parteikollegen im Innenressort als ambulanter Psychotherapeut zur Betreuung einer Sechzehnjährigen befugt hält, die der Innenminister - jeglichem Terror munter auf der Spur - eben noch eines schrecklichen Verbrechens, nämlich der Erpressung der Republik Österreich beschuldigt hat.

Er konnte dem Mädchen zwar keine dauerhafte Lösung seines Problems in Aussicht stellen, aber aufgrund seiner Erfahrungen als oberösterreichischer Seelenhirte immerhin dem Publikum versichern, der Zustand der Patientin sei zufriedenstellend. Ob er damit nicht den Tatbestand der Kurpfuscherei erfüllte, sollte die Staatsanwälte mindestens ebenso interessieren wie der zivile Ungehorsam, den sie an jenen verfolgen, die anderen Asylwerbern eine Therapiestunde bei ihrem zuständigen Landeshauptmann ersparen wollen.

Überhaupt fragt man sich, ob die Freunde der Härte auch nur einen Gedanken darauf verschwendet haben, wie sie dastünden, wenn sich ein in die Enge getriebener junger Mensch wirklich etwas antäte. Würden sie dann auch die Öffentlichkeit, würden sie ihre Kinder mit der Bemerkung abspeisen, sie ließen sich nicht erpressen - Gesetz ist Gesetz?

Schön immerhin, dass der gesetzestreue Innenminister einem Pfarrer dafür gedankt hat, dass er das tut, was die Behörden verfolgen: Erpresser der Republik bei sich aufzunehmen. Doch Hoffnung auf Wandel wäre verfrüht. Noch immer beharrt eine Obrigkeit, die nicht imstande ist, kriminellen Schleppern das Handwerk zu legen, darauf, selbst gut integrierte Personen zu kriminalisieren, die in Schleppern ihre einzige traurige Hoffnung sahen, ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen.

Schluss mit den Treueschwüren zu einem Gesetz, das dem rechten Rand zuliebe beschlossen wurde und Grauslichkeiten gebiert! Man rede endlich über Gesetze, die Einwanderung sachlich, Asylgewährung menschlich regeln - und über ihre Vollziehung nicht als Gnade. (Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2007)