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Foto: AP/Gert Eggenberger
Frankfurt/Main - Fast alle Männer kommen mit dem Problem zur Welt: "Neun von zehn Kindern haben bei der Geburt eine Vergrößerung des Brustdrüsengewebes", sagt die Andrologin Sabine Kliesch vom Universitätsklinikum Münster. Grund zur Sorge besteht allerdings nicht: Die Vergrößerung, ausgelöst durch die Hormone der Mutter, schwindet schnell wieder.

Die Gynäkomastie ist gewöhnlich harmlos

Allerdings kehrt sie später bei vielen Männern zurück, und zwar gewöhnlich in zwei Lebensphasen: In der Pubertät erleben Schätzungen zufolge 40 bis 70 Prozent der Burschen erneut ein - mehr oder weniger starkes - Brustwachstum. "Das Gewebe muss sich auf die hormonellen Veränderungen einstellen", erläutert Kliesch. "Das ist meist ein vorübergehendes Phänomen, das nach einem Jahr wieder abklingt." Im höheren Alter wird dann jeder zweite Mann erneut mit dem lästigen Problem konfrontiert.

Einseitige Veränderung abklären

"Gynäkomastie ist eine gutartige Vergrößerung der Brustdrüsengewebes", sagt Kliesch. Meist betrifft das Wachstum beide Körperseiten, aber auch wenn nur eine Brusthälfte anschwillt, ist dies keineswegs ungewöhnlich. "Eine einseitige Gynäkomastie sollte man aber in jedem Fall untersuchen lassen", betont die Medizinerin und verweist auf die Möglichkeit eines Brusttumors. Dieser sei bei Männern zwar sehr selten, müsse aber dennoch abgeklärt werden.

Auch wenn beide Körperseiten betroffen sind, rät die Andrologin dazu, sicherheitshalber einen Mediziner zu konsultieren: "Wenn man merkt, dass die Brustdrüse größer oder empfindlicher wird, sollte man zum Arzt gehen."

Genaue Anamnese

Gerade weil so viele verschiedene Einflüsse beteiligt sein können, sollte der Arzt bei der Diagnose die Vorgeschichte des Patienten sorgfältig erfragen. "Die Anamnese ist der wichtigste Punkt, um potenzielle Faktoren herauszufiltern", sagt Kliesch. Zur Abklärung sollte der Mediziner auch die Hormonwerte bestimmen und durch diverse Untersuchungen andere Erkrankungen, die Ursache der Veränderungen sein können, wie etwa Tumore, ausschließen.

Schwankungen im Hormonhaushalt

Ursache der Veränderungen sind häufig Schwankungen im fein ausbalancierten Hormonhaushalt, wobei die Östrogene im Verhältnis zu den männlichen Androgenen überwiegen - etwa weil der Körper zu viele Östrogene oder zu wenig Testosteron bildet. Das hormonelle Ungleichgewicht ist zwar nicht unbedingt problematisch, dahinter können aber tieferliegende Probleme stecken.

Mögliche Erkrankungen

So kann etwa ein Hodentumor der Grund dafür sein, dass der Körper wenig Testosteron produziert. Auch Erkrankungen von Nieren oder Leber können den Östrogenüberschuss verursachen.

Wachstum durch Medikamente

Oft sind Medikamente für eine Gynäkomastie verantwortlich, etwa trizyklische Antidepressiva, Mittel gegen Pilze oder Präparate zum Ausschwemmen. Dann kann die Umstellung auf ein anderes Arzneimittel das Problem lösen.

Pseudogynäkomastie im Alter

Gerade ältere Männer mit auffällig gewölbter Brust haben allerdings meist keine Gynäkomastie, sondern eine Pseudogynäkomastie oder Lipomastie. Nicht das Drüsengewebe ist bei ihnen angeschwollen, sondern hinter der Verformung stecken gewöhnliche Fettablagerungen. Das Körperfett beeinflusst allerdings seinerseits wiederum den Hormonhaushalt.

Denn ein Teil des Testosterons wird im Körper zu dem Östrogen Estradiol umgewandelt. Massiv daran beteiligt ist das Enzym Aromatase, das auch im Fettgewebe vorkommt. Mit dem im Alter zunehmendem Fettanteil steigt die Aktivität der Aromatase und damit die Menge des gebildeten Estradiol.

Bei jedem Vierten: Ursache unbekannt

Bei jedem vierten erwachsenen Patienten lasse sich keine klare Ursache benennen, betont der Hormonexperte Glenn Braunstein aus Los Angeles im "New England Journal of Medicine". "Gynäkomastie ist ziemlich normal und aus medizinischer Sicht kein Grund zur Beunruhigung", bilanziert Braunstein. "Informationen darüber sollten alle Männer beruhigen, aber vor allem auch die Jugendlichen und ihre Eltern, die sich darüber vielleicht Sorgen machen."

Peinliche Veränderung

Selbst wenn das Brustwachstum meist kein Zeichen einer ernsten Erkrankung ist: Vielen Männern ist die sichtbare und auffällige Veränderung peinlich. Lässt sich die Ursache nicht ermitteln oder beheben, so kann das überschüssige Brustdrüsengewebe notfalls durch eine Operation entfernt werden.

Operation möglich

Sollte dieser Schritt in Erwägung gezogen werden, dürfen Betroffene mit dem Gang zum Arzt nicht zu lange zögern. "Besteht die Gynäkomastie länger als sechs bis zwölf Monate, so lässt sich das Gewebe schwerer verändern", sagt Kliesch. Der Grund: Das nicht mehr im Wachstum befindliche Gewebe wird mit der Zeit starrer, es vernarbt.(APA/AP/red)