Offene Baustellen, wohin man schaut. Die Regierung rudert dahin, oft im Kreis, ziemlich oft kollidieren die Ruderblätter selbst. Die aktuellen Aufreger-Themen sind ja nur Symbole für größten Handlungsbedarf:

"Arigona" steht für eine dringende Notwendigkeit, das Fremdenrecht zu überarbeiten und durch ein intelligentes Einwanderungsrecht zu ersetzen. Darauf müssen sich Kanzler und Vizekanzler einigen.

"Ärztestreik" steht für den Zustand des Gesundheitswesens, das auf eine neue finanzielle Grundlage gestellt werden muss. Die Gesundheitsministerin ist schon wegen der geringen Kompetenzausstattung ihres Amtes damit überfordert. Das ist letztlich eine Aufgabe für Kanzler und Vizekanzler.

Auch die Schule, bzw. die Hochschule sind Chefsachen. Die Regierungspartner haben sich jetzt zwar offenbar auf einen Kompromiss in Richtung Gesamtschule geeinigt, aber das ist nur ein Teilbereich. Es fehlen in Wirklichkeit die Klärung von Grundsätzen. Die ÖVP sieht noch immer nicht wirklich ein, dass sich Schule und Hochschule in einem ernsten Zustand befinden. Großinvestitionen in diese beiden Bereiche sind zur Zukunftssicherung unerlässlich. Niedrige Akademiker-Quote und schlechtes Abschneiden bei Pisa sind deutliche Indizien, dass unser System nicht mehr den Herausforderungen genügt. In Wahrheit müsste ein "nationaler Intelligenzplan" ausgearbeitet werden.

Die große Koalition hat aber insgesamt ihre großen Projekte nicht gefunden. Statt dessen gibt es Nulllösungen mit enormem Kraftaufwand. Sozialminister Buchinger hat in zähem Kampf mit Gewerkschaft, Ländern und anderen Interessenten eine Pflegelösung erarbeitet, die konform mit unserem traditionellen Sozialstaat ist - und eben deshalb von den Betroffenen nicht genutzt wird, weil sie viel zu teuer ist. Alte Menschen werden weiter von "illegalen" Pflegerinnen betreut werden.

Mit ähnlichem legistischem Aufwand wird eine Arbeitslosenversicherung für mehr als 300.000 Selbstständige beschlossen. Der zuständige Arbeits- und Wirtschaftsminister Bartenstein glaubt allerdings selbst, dass das "nur ein Minderheitenprogramm" wird. Denn die Beiträge - sechs Prozent vom Einkommen - sind, zusätzlich zu den Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen, viel zu hoch. Wieder eine Schein-Wohltat im Rahmen des traditionellen Sozialversicherungssystems. Dass man besser daran täte, Selbstständigen die Eigenvorsorge zu erleichtern, ist ein Diskussionstabu.

Wir erarbeiten sinnlose "Lösungen" für reale Probleme. Der "Haushaltsscheck" für die ASVG-konforme Beschäftigung von privaten Haushaltshilfen ist ein Flop. Wir basteln eine "Blue Card" für dringend benötigte industrielle Fachkräfte aus den neuen EU-Ländern, aber wir belasten sie mit unendlichen Einschränkungen.

Die Regierung gibt vor allen möglichen Blockierern klein bei. Wenn es jetzt im Zusammenhang mit "Arigona" heißt, der Staat dürfe sich nicht erpressen lassen, dann lachen sämtliche Hühner. Das bloße Auftauchen des Beamtengewerkschafters Neugebauer im Fernsehen falsifiziert diese Behauptung. Erpressung durch "pressure groups", tatsächliche oder auch nur eingebildete, findet täglich statt, z. B. durch die Gastronomie-Lobby im Zusammenhang mit dem geplanten lächerlichen Nichtraucherschutz.

Diese Regierung nudelt dahin. Man kann es nicht anders nennen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.10.2007)