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Hat Wolfgang Flöttl (rechts im Bild) getäuscht oder haben die Bawag-Chefs die Verträge einfach nicht gelesen?

Foto: APA/Jäger
Wien - Am Montag kommen die Bawag-Angeklagten zum vierzigsten Mal im Großen Schwurgerichtssaal zusammen, die Stimmung hat sich seit Verhandlungsbeginn sehr verändert. Würdigten die neun Herren (Helmut Elsner, Wolfgang Flöttl und Johann Zwettler sitzen zur rechten Hand der Richter im so genannten Ostflügel; Peter Nakowitz, Günter Weninger, Christian Büttner, Herbert Kreuch, Josef Schwarzecker und Robert Reiter auf der westlichen Anklagebank) einander zunächst kaum eines Blickes, so herrscht jetzt, in den Verhandlungspausen, fast Schikursatmosphäre.

Am ruhigsten (neben Elsner, der sich immer öfter "nicht erinnert", zunehmend resignativ wirkt und schläfrig) ist Ex-Aufsichtsratspräsident Weninger. Er wirkt nur resignativ. Am unbeteiligtsten gibt sich Ex-Investmentbanker Flöttl - was wohl seiner juristischen Verantwortung entspricht: Er sagt sinngemäß, er habe das Geld, um das es geht, "nur" verloren, dabei aber keine Verträge oder Gesetze verletzt. Sein Schicksal ist mit jenem der Mitangeklagten verknüpft: Er ist der Beihilfe zur Untreue angeklagt, kann also nur verurteilt werden, wenn anderen Untreue nachgewiesen werden kann.

Schwer nachzuweisen

Die juristisch schwer nachzuweisende Frage: Haben die Angeklagten wissentlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen und "billigend in Kauf genommen", dass der Bawag Schaden entsteht? Nach der Antwort wird noch länger gesucht werden, "es ist noch viel sehr unklar", drückt das ein Jurist aus.

Das gilt auch für die Kernfrage, wie Flöttl das von der Bawag kreditierte Geld überhaupt angelegt hat, und ob es auch verschwunden ist. Das aufzuhellen hat der Gerichtssachverständige Fritz Kleiner übernommen. Er muss die Flöttl-Geschäfte durchleuchten und bis Mitte Jänner abklären, ob die Art der Geschäfte, die Flöttl ab 1995 getätigt hat (die Gewinnchance für die Bawag war mit zwei Prozent über Libor begrenzt, das Verlustrisiko unbegrenzt) vertretbar war. Die Idee, dass das Geld gar nicht verloren wurde, weist Flöttl zurück; seine EDV-Unterlagen sind nach einem Computer-Schaden leider verschwunden. Trotzdem gibt es inzwischen Beweismaterial: Zum einen hat Flöttl dem Gericht jüngst eine lederne Einkaufstasche voll mit Computer-Auszügen seiner Geschäfte überreicht, zum anderen gibt es mehr als 20 Ordner mit Unterlagen von seinen Brokern, aus denen man sich Aufklärung erhofft.

Die bisherigen Zeugenauftritte haben aus juristischer Sicht noch nicht viel Erkenntnisse gebracht, mit denen sich nachweisen ließe, dass die Angeklagten ihre Befugnisse wissentlich überschritten hätten. Ob die Großveranlagungsgrenzen bei den Krediten an die Stiftungen überschritten wurden - da wollte sich etwa Zeuge Florian Botschen (Ex-Wirtschaftsprüfer der Bawag) nicht festlegen lassen, er unterschied zwischen einer "rechtlichen und wirtschaftlichen Betrachtung". Die weitere Diskussion darüber ließ die Richterin nicht zu.

Wem glauben die Richter?

Eine ganz wesentliche Frage (die Angeklagten behaupten, Flöttl habe das Risiko streuen müssen, er sagt, er durfte auch bloß eine einzige Strategie fahren und meint damit die verheerenden Yen-Geschäfte) schnitt der Ex-Bilanzabteilungschef der Bawag, Robert Schatzer, an. Er erzählte von einer Reise mit Zwettler und Nakowitz zu Flöttl nach Paris, bei der letzterer seine sieben Investitionsstrategien "so wie ein EDV-Vertreter sein neuestes Produkt" erklärt habe. Allerdings ist damit nicht erwiesen, dass sieben Risikoklassen vereinbart wurden: In den schriftlichen Kontrakten mit Flöttl (jedes Vorstandsmitglied unterschrieb einen) ist davon nicht die Rede. Die Antwort auf die Frage, ob Flöttl getäuscht hat und/oder die Bawag-Chefs die Verträge einfach nicht gelesen haben, wird davon abhängen, wem die Richter glauben.

Der Kronzeuge für (oder gegen) Flöttls Glaubwürdigkeit wird für Montag erwartet: Der Londoner Investmentbanker Kaveh Alamouti soll erzählen, ob er in die Veranlagung der letzten Geldtranche (Unibonds) eingebunden werden sollte (das sagen die Ex-Vorstände) oder nicht (das sagt Flöttl). (Renate Graber, DER STANDRD, Print-Ausgabe, 13./14.10.2007)