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Die sommerlichen Beben könnten sich sogar positiv auswirken.

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Wien - Als vor drei Monaten die ersten Hedgefonds infolge der US-Immobilienkrise krachten, machte sich Untergangsstimmung an den Finanzmärkten breit. Die Aktienkurse begaben sich auf Talfahrt, die Anleger flüchteten sich in sichere Staatsanleihen, die Übernahmewelle und die boomende Unternehmensfinanzierung an den Kapitalmärkten kamen fast zum Erliegen.

Doch die Lage hat sich in den letzten Tagen und Wochen merklich entspannt. An den Börsen werden schon wieder Rekordstände gefeiert, Unternehmensanleihen- wie Aktienemissionen werden wieder locker am Markt untergebracht. Mit Raiffeisen International, Wienerberger und Strabag gibt es auch am Wiener Aktienmarkt klare Signale für eine Wiederkehr des Booms. Nachdem die Ausgaben von Firmen-Bonds im August international auf 37 Milliarden Dollar eingebrochen war, stieg das Volumen im September schon wieder auf 102,4 Milliarden. Vor allem die Begebung von Anleihen im Euroraum hat sich erfangen.

Effiziente Notenbanken

Wenngleich keiner so recht weiß, ob nicht noch Leichen in den Bankenkellern liegen, hat sich die negative Einstellung ziemlich gewandelt. "Ich bin überrascht, dass es so glimpflich abgegangen ist. Gravierende Verwerfungen sind ausgeblieben", bestätigt Wifo-Finanzmarktexperte Franz Hahn den Meinungsumschwung. Das hat auch die Sorgen konjunktureller Natur abgeschwächt, vor allem, weil sich die Kreditengpässe unter den Banken nicht auf die Unternehmen durchgeschlagen haben. Die Deutsche Bundesbank hat erhoben, dass sich die Konditionen für die Kapitalaufnahme der Betriebe seit Beginn der Turbulenzen nicht verschlechtert haben.

Hahn führt das nicht zuletzt auf die Interventionen der Zentralbanken zurück, die quer über den Globus günstige Kredite im Gegenwert von hunderten Milliarden in die Finanzmärkte pumpten und so die Banken mit Geld versorgten. Nun fingen die Banken wieder an, einander Ein- und Dreimonatsgelder zu geben, erklärte jetzt RZB-Vorstand Patrick Butler vor Journalisten. Die Kreditkosten würden aber höher bleiben als vor der Krise.

Sorgen vor US-Rezession zerstreut

Auch konjunkturelle Beben dürften ausbleiben, hoffen die meisten Beobachter. Der Stellenzuwachs in den USA im September um 110.000 Jobs sowie die positive Entwicklung des Einzelhandels im Vormonat dürften die Sorgen vor einer Rezession in Amerika zerstreut haben. Dieser Ansicht ist auch der Internationale Währungsfonds (IWF): Die Wachstumsprognose für die USA wird für kommendes Jahr zwar deutlich zurückgenommen, mit 1,9 Prozent Plus ist der Ausblick aber immer noch positiv. Europa bleibt nach dieser Einschätzung mit ei- ner Steigerung der Wirtschaftskraft um zwei Prozent nur knapp über dem US-Zuwachs, so der IWF in seiner noch unveröffentlichten Prognose.

Ziemlich unbestritten ist, dass die Krise Spuren hinterlässt, nicht zuletzt im Bereich Investmentbanking. Tausenden Bankern kostet es den Job, die goldenen Zeiten der Branche dürften vorüber sein. Erst am Freitag wurde bekannt, dass die US-Großbank JPMorgan rund 2000 Stellen streichen dürfte. Auch die Citygroup rührt im Investmentbanking um. Auswirkungen hat das Gewitter auch auf die Finanzprodukte, wie RZB-Mann Butler meint. Übertrieben fremdfinanzierte Deals werden schwieriger, undurchsichtige Besicherungen von Krediten auslaufen, meint er. Generell rechnet Butler nun mit einer realistischeren Bewertung der Risiken. Und somit hätte das Gewitter eine reinigende Kraft gehabt. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.10.2007)