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Quasi ein Drei-Liter-Auto der Lüfte:_Pro Passagier und 100 Flugkilometern verbraucht der Airbus A380 unter drei Liter Kerosin.

Foto: Reuters/Jean-Philippe Arles
18 Monate Verspätung, 4,8 Milliarden Euro Kostenüberschreitung und ein gewaltiger Insiderskandal überschatteten die erste Auslieferung des doppelstöckigen Airbus A380. Trotzdem hat der europäische Konzern damit die Chance, Boeings Jumbodominanz zu brechen.

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Toulouse/Wien – Im europäischen Wirtschaftswettrennen mit den USA hätte es ein erhebender Moment werden soll: Der Augenblick, da mit der Auslieferung des ersten Riesenjumbos A380 die fast vier Jahrzehnte währende Alleinherrschaft des Boeing Jumbo 747 über die Lüfte beendet werden sollte.

Aber es war ein "gerade noch geschafft", als Airbus am Montag mit 18-monatiger Verspätung sein Etappenziel erreichte und die Maschine in relativ bescheidener Zeremonie an Singapore Airlines übergab. Regierungschefs blieben fern, wohl aus Angst, dass der Insiderskandal bei der Airbus-Mutter EADS auf sie abfärben könnte.

Berichte, wonach sich die Produktion der nächsten Flieger weiterhin verzögern könnte, ließen keine rechte Party-Stimmung aufkommen. "Die Serienproduktion bleibt eine große Herausforderung", konzedierte Airbus-Chef Thomas Enders am Montag. 13 Maschinen sollen 2008 gefertigt werden, 25 im Jahr 2009, 45 im Jahr 2010.

Vor allem die Verkabelung führte wiederholt zu Verzögerungen und schafft offenbar weiterhin Probleme: 30.000 Leitungen mit fast 500 Kilometer Gesamtlänge, um Strom und Information über den 73 Meter langen und 24 Meter hohen Riesenflieger mit einer Flügelspannweite von fast 80 Meter zu verteilen, von Steuerbefehlen und Bord-Unterhaltungssystemen bis zur Sitzplatzbeleuchtung, Frachttüren und Toilettenspülungen. Da Airbus die A380 als einen individuell ausstattbaren "Luxuskreuzer" verkaufte, ist für jeden der 16 Kunden eine andere Ausstattung, somit andere Verkabelung nötig.

Grabenkämpfe

Aber während sich die Vorstandsetage in den vergangenen Jahren im politischen Grabenkampf zwischen deutschen und französischen Managern des weiterhin von Staatsbesitz dominierten Konzerns befand, statt sich um die Fertigungsprobleme zu kümmern, waren es vor allem Manager und Techniker der mittleren Ebene, die den Karren wieder flott machten.

Damals wie heute das Hauptproblem von Airbus: Die Koordinierungsprobleme der komplexen, nach nationalistischen Befindlichkeiten auf vier Länder (Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien) verteilten Produktion. Erst die Initiative des, inzwischen zum Vice President beförderten, Rüdiger Fuchs knackte Landesgrenzen im Konzern zur Lösung der Verkabelungsprobleme. Fuchs ist jetzt Chef eines (auf Englisch kommunizierenden) multinationalen Teams, das als Vorbild für die Entwicklung des Boeing-Dreamliner-Konkurrenzprodukts A350XWB gilt.

Ineffizienz, aber auch die unterschätzte Komplexität des Projekts, kam Airbus teuer zu stehen: Statt zwölf Mrd. Dollar wurden 18,8 Mrd. Dollar (13,2 Mrd. Euro – die Luftfahrtindustrie rechnet weltweit in Dollar) für die Entwicklung ausgegeben. Heute, Dienstag, wird die doppelstöckige Maschine Richtung Singapur abheben; am 25. Oktober wird sie dann mit 470 Passagieren ihren kommerziellen Erstflug nach Sydney antreten. 1,3 Mio. Euro Erlös aus den Großteils über eBay versteigerten Erstflugtickets kommt wohltätigen Zwecken zu.

Anfangsschwierigkeiten haben jedoch so gut wie alle Luftfahrtsprojekte dieser Größenordnung begleitet. Als Boeing vor mehr als 40 Jahren den Jumbo entwickelte, riskierte das Unternehmen alles – und gewann in den vergangenen 38 dafür eine profitablen Monopolmarkt mit über 1400 verkauften Maschinen.

Jetzt hat Airbus seine Chance, diesen Markt in den nächsten Jahrzehnten zu übernehmen: Denn mit einem Treibstoffverbrauch von unter drei Liter pro Passagier auf 100 Flugkilometer und ihrer Kapazität von 550 bis 850 Passagiere macht die A380 gegenüber anderen Fliegern einen wahren Effizienzsprung. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.10.2007)