Michael Häupl: „Seien Sie doch fair zur SPÖ, und schieben Sie ihr nicht Dinge in die Schuhe.“

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) verteidigt seine Partei im Asylstreit. Für die Integrationsplattform der Koalition, die am Montag zu arbeiten beginnt, stellt Häupl klar: Die von der ÖVP angeregten Zuwandererquoten für Schulklassen und Wohnprojekte seien keine Lösung. Mit ihm sprachen Peter Mayr und Nina Weißensteiner.

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STANDARD: In den vergangenen Tagen schon geflucht, weil die SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen den Innenminister der ÖVP überlassen hat?

Häupl: Nein, denn generell sind Wutausbrüche in der Politik ja eher vergeudet. Derzeit beziehen sich meine Emotionen aber darauf, wie man mit dem Mädchen Arigona und ihrer Familie umgeht. Denn auf Basis des bestehenden Gesetzes hätte man diesen Fall zweifellos ganz anders entscheiden können, indem man der Familie humanitären Aufenthalt gewährt, wie es im Fremdenrecht auch vorgesehen ist.

STANDARD: Sonst ist die SPÖ aber auf derselben Linie wie die ÖVP: Keine Änderung der Fremdengesetze, kein generelles Bleiberecht für Asylwerber, die schon seit Jahren auf den Ausgang ihrer Verfahren warten – stattdessen will sie Gnadenakte für Einzelne.

Häupl: Tut mir leid, aber diese Diktion kann ich nicht teilen. Freilich sollte sich jede Asylprüfung dem individuellen Akt widmen. Damit könnte man Härtefälle auch vermeiden. Es ist alles nur eine Frage, wie man an das Fremdenrecht herangeht, und das unterscheidet uns massiv von der ÖVP. Aber bei aller humanitärer Grundgesinnung: Auch ich bin ein Gegner des generellen Bleiberechts. Man kann sich das nicht ersitzen. Ein generelles Bleiberecht würde ja selbst für jene gelten, die sich hier Straftaten zuschulden kommen haben lassen.

STANDARD: Befürworter eines Bleiberechts verweisen stets darauf, dass es nur für Unbescholtene gelten solle – übrigens auch Bundespräsident Heinz Fischer.

Häupl: Ich bleibe dabei: Auf Basis der Fremdengesetze ist gewährleistet, dass Menschen bei bestimmtem Integrationsgrad und bestimmten Familienverhältnissen einen Aufenthaltstitel bekommen können. Wäre nun nicht die Interpretation des Innenministers das Maß aller Dinge, dann wäre es möglich, in solchen Fällen diesen Titel zuzuerkennen.

STANDARD: Statt eines Rechts für alle Asylhärtefälle sollen nun Bürgermeister bei den Landeshauptleuten intervenieren und diese dann beim Innenminister. Wie können Sie in Wien das Ganze überhaupt exekutieren, wo diese Menschen doch meist anonym unter uns leben?

Häupl: Wie es auch in den anderen Bundesländern vorgesehen ist: Ich habe unsere zuständigen Juristen damit beauftragt, alle Fälle durchzusehen, eine entsprechende Liste von jenen, die einen humanitären Aufenthaltstitel bekommen könnten, werden wir dann an den Innenminister weiterleiten. Ich werfe Günther Platter ja auch nicht Rechtsbruch vor, denn mit diesem Gesetz kann ich durchaus leben, es schreibt ja nicht Inhumanität vor. Zwar hätte es wahrscheinlich, wenn wir in der Regierung gewesen wären, etwas anders ausgesehen ...

STANDARD: Jetzt stellt die SPÖ aber den Kanzler und Sie könnte auf den Koalitionspartner doch viel mehr Druck ausüben.

Häupl: Da haben Sie schon recht, aber der Bundeskanzler hat kein Weisungsrecht gegenüber dem Innenminister. Da kann man ihm keinen Vorwurf machen.

STANDARD: Klingt etwas hilflos.

Häupl: Na, gehn S’ hören S’ auf. Der Bundeskanzler ist zwar Chef der Regierung aber kein Diktator! Und selbstverständlich kann er Platter nichts anschaffen. Seien Sie doch fair zur SPÖ, und schieben Sie ihr nicht Dinge in die Schuhe, für die sie nichts kann.

STANDARD: Am Montag beginnt die Integrationsplattform zu arbeiten. Wien hat in manchen Bezirken einen Zuwandereranteil von 30 Prozent, die ÖVP konstatiert falsche Politik und will das mit Ausländerquoten für neue Wohnprojekte ändern. Sinnvoll?

Häupl: Nein. Wir haben in Wien einen Ausländeranteil von 18 Prozent. Es ist doch klar, dass Leute, die man nicht als vermögend bezeichnen kann, sich verstärkt dort ansiedeln, wo sie das billigere Wohnungsangebot finden. Das ist weder neu noch verwunderlich und dient nur einer Polemik. Das sollen die Freiheitlichen machen. Dass es nun auch die Christlich-Sozialen tun, passt zum Bild, dass man unlängst auch gemeinsam mit Rechtsradikalen gegen Moscheen demonstrierte.

STANDARD: Die ÖVP überlegt auch Quoten für Schulklassen.

Häupl: Stimmt. Und ein Vorschlag von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer etwa lautete, dass in den Schulklassen nur noch höchstens ein Drittel Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache sitzen sollen. Das würde in Wien genau dazu führen, dass ausländische Schulkinder dann in andere Bundesländer zur Schule fahren müssen, weil sonst der Migrantenanteil in den Klassen zu hoch ist. Daran kann man schon erkennen, wie ernst der ÖVP die eigenen Lösungsansätze sind. Wir gehen jedenfalls in eine andere Richtung: Stärkung der Sprachkompetenz, und das schon im Kindergarten.

STANDARD: Apropos Deutsch: Der Koalitionspartner regt auch Sanktionen für Männer an, die ihre Frauen nicht in Sprachkurse lassen. Wie groß ist das Problem in Wien tatsächlich?

Häupl: Ich mache jetzt sicher nicht die Arbeit der Integrationsplattform. Sollte die Integrationsplattform aber tatsächlich feststellen, dass es solche Probleme gibt, dann muss das Konsequenzen haben. Ob es tatsächlich Sanktionen geben soll, muss man sich sehr genau überlegen. Denn es ist natürlich völlig inakzeptabel, dass ein Mann einer Frau verbietet, eine Sprache zu lernen.

STANDARD: Arbeitsgrundlage für die Plattform der Regierung soll der „Integrationsbericht“ von Innenminister Platter sein. Vertrauen Sie seiner Expertise überhaupt noch?

Häupl: Ich gehe natürlich davon aus, dass das in erster Linie ein Polizeibericht sein wird. Ich werde mir jedenfalls diesen Bericht sehr genau ansehen und auch anhören, welche Schlüsse Staatssekretärin Christine Marek, die Integrationsbeauftragte der ÖVP, aus all dem ziehen wird. (DER STANDARD, Printausgabe 15.10.2007)