Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Wahlplakat von Lojze Peterle der bei den Wahlen am 21. Oktober 2007 in Slowenien fuer die Partei "Neues Slowenien" (NSi) kandidiert.

Foto: APA/STEFAN VOSOERNIK
Er möchte damit auch der Geschichte einen Platz zuweisen, sagte der Ex-Außenminister zu Norbert Mappes-Niediek.

****

DER STANDARD: Slowenien wird im Ausland meistens als „Musterschüler“ gehandelt. Einverstanden?

Peterle: Klar. Die Unabhängigkeit, der Krieg gegen die Jugoslawische Volksarmee – das waren echte historische Erfolge. Früher waren wir eine überstimmte Provinz, heute sind wir ein Land mit gleichen Rechten in der EU.

DER STANDARD: Die ersten beiden Präsidenten kamen aus der KP-Tradition, Sie nicht. Macht das wirklich einen Unterschied?

Peterle: Schon. Die beiden ersten Präsidenten, Milan Kucan und Janez Drnovšek, haben beide wichtige Beiträge zur Unabhängigkeit geleistet. Aber ich werde ganz sicher ein anderer Typ Präsident sein.

DER STANDARD: Und wie?

Peterle: Bei allen unseren Erfolgen vermisse ich hier die Lebensfreude und den Optimismus. Wir sind mit unserer Selbstmordrate unter den ersten fünf in der Welt – und mit der Geburtenrate ganz unten.

DER STANDARD: Da meinen Sie, Sie können als Präsident eine bessere Stimmung verstrahlen?

Peterle: Genau. Wenn die Bürger an der Spitze eine Person mit Energie, mit klaren Meinungen sehen, entdecken sie auch bei sich positive Seiten. Sie wissen, dass ich den Krebs überlebt habe. Heute fühle ich mich viel besser als vorher.

DER STANDARD: Die Vergangenheit scheint in Slowenien lebendig. Über Partisanen und die Kirche im Zweiten Weltkrieg wird viel lebhafter gestritten als über das Schulsystem. Warum?

Peterle: Die Menschen interessieren sich schon mehr für die Zukunft. Nur die Journalisten fragen immer nach der Vergangenheit. Ich persönlich interessiere mich mehr für das Slowenien des Jahres 2020 als für das von 1945.

DER STANDARD: Braucht das Land überhaupt eine gemeinsame Sicht der Geschichte, die beide Lager umfasst?

Peterle: Die Kämpfer beider Seiten von damals werden sich kaum versöhnen – oder wenigstens ihre Organisationen werden das nicht tun. Aber wir sollten uns wenigstens eine andere Kultur im Reden über die Vergangenheit angewöhnen und Beleidigungen vermeiden.

DER STANDARD: Mit Österreich gibt es noch immer Ärger um die slowenische Minderheit. Sollte sich Slowenien wirklich um die Anzahl der zweisprachigen Ortstafeln in einer benachbarten Provinz kümmern?

Peterle: Ja. Denn die Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrags betreffen die slowenische Minderheit – nicht irgendwie eine mazedonische oder so. Und auch unsere Verfassung erlegt uns die Pflicht auf, uns um unsere Minderheiten in den Nachbarländern zu kümmern. Slowenien kann dabei nicht weniger verlangen als das österreichische Verfassungsgericht.

DER STANDARD: Besteht Hoffnung, dass die Minderheitenfrage zwischen Wien und Ljubljana ein für allemal gelöst wird?

Peterle: Ja, es ist höchste Zeit dafür. Wir sollten der Geschichte ihren Platz zuweisen und an die Zukunft denken. Wir leben ja schon seit mehr als tausend Jahren zusammen! Warum nicht einfach die Verschiedenheit begrüßen? Diese so genannte „Urangst“ der Kärntner wird in Slowenien gar nicht verstanden.

DER STANDARD: Diese „Urangst“ wird auch den Slowenen zugeschrieben – der kleinen Nation, die sich vor Assimilierung durch ihre Nachbarn fürchtet.

Peterle: Assimilierung ist kein Wert, das will niemand. Nur die Zeit der Feindbilder ist eben vorbei.

DER STANDARD: Was muss denn passieren, um das Problem ein für allemal zu lösen?

Peterle: Ganz einfach: Respekt muss sich einstellen. Und der Ton muss sich ändern.

DER STANDARD: Journalisten beschweren sich über Eingriffe der konservativen Regierung in die Pressefreiheit. Zu Recht?

Peterle: Solche Fragen von Journalisten hat es seit der Unabhängigkeit schon viele gegeben. Wir sind noch immer ein Übergangsland, auch Eigentum an Verlagen ist noch nicht privatisiert. Da wird natürlich um Einfluss gekämpft.

DER STANDARD: Hier geht es aber um politischen Druck auf Redaktionen.

Peterle: Schauen Sie, wir haben in Slowenien nicht so etwas wie die Neue Zürcher Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine. Es gibt keine konservative Tageszeitung! Das ist nicht gut, weil die Landschaft nicht ausgewogen ist.

DER STANDARD: Wäre es nicht besser, eine neue Zeitung zu gründen, als eine alte umzupolen?

Peterle: Haben wir ja versucht. Drei neue Zeitungen gab es, aber keine hat überlebt. Jetzt haben wir immerhin das Gratisblatt Journal24. Ich glaube, die Grazer Styria-Gruppe steht dahinter. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2007)