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Für Kämpfer gegen den Klimawandel hat Al Gore Ikonenstatus. Doch Bjørn Lomborg kritisiert dessen Umgang mit wissenschaftlichen Fakten.

Foto: AP Photo/Jeff Chiu
Der Friedensnobelpreis 2007 geht zu Recht an die Wissenschafter des UN-Klimarates IPCC, sagt ein prominenter Klimawandel-Skeptiker. Ex-US-Vizepräsident Al Gore hingegen hat ihn sich nicht verdient. Ein Kommentar der anderen von Bjørn Lomborg.

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Der diesjährige Friedensnobelpreis belohnt zu Recht Tausende von Wissenschaftern des UN-Klimarates (IPCC). Diese Wissenschafter leisten eine herausragende, gewissenhafte Arbeit, die präzise ermittelt, was die Welt vom Klimawandel erwarten sollte.

Der andere Preisträger, der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, hat viel mehr Zeit damit verbracht, uns zu sagen, wovor wir Angst haben sollen. Während die Einschätzungen und Schlussfolgerungen des IPCC auf sorgfältigen Untersuchungen beruhen, scheint Gore eine derartige Zurückhaltung nicht zu kennen.

Sechs Meter

Gore erklärte der Welt in seinem Oscar-prämierten Film - der kürzlich von einem britischen Richter als "einseitig" und "wissenschaftlich fehlerhaft" bezeichnet wurde -, sie solle sich für den Verlauf dieses Jahrhunderts auf einen Anstieg des Meeresspiegels um sechs Meter einstellen. Er ignoriert die Befunde des mit ihm ausgezeichneten IPCC, die davon ausgehen, dass der Meeresspiegel in diesem Jahrhundert nur um 15 bis 60 cm ansteigen wird, wobei am ehesten ein Anstieg von etwa 30 cm zu erwarten sei. Dies entspricht in etwa der Entwicklung während der letzten 150 Jahre.

In ähnlicher Weise zerbricht sich Gore über das beschleunigte Abschmelzen des Grönlandeises den Kopf, übersieht jedoch die Schlussfolgerung des IPCC, dass dies bei einer Fortschreibung der gegenwärtigen Schmelzgeschwindigkeit den Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um bloße acht Zentimeter erhöhen würde. Auch nimmt Gore keine Notiz von Forschungsergebnissen, die zeigen, dass die Temperaturen in Grönland im Jahre 1941 höher waren als heute.

Vier Eisbären ertrunken

Gore macht sich außerdem Sorgen über die Zukunft der Eisbären. Er behauptet, dass diese mit Verschwinden ihres eisigen Lebensraums ertrinken. Die einzige wissenschaftliche Studie allerdings, die etwas Derartiges belegt, verweist darauf, dass vier Eisbären wegen eines Sturms ertranken.

Der Ex-Politiker und Filmemacher leidet unter schlaflosen Nächten wegen des vorhergesagten Anstiegs hitzebedingter Todesfälle. Die andere Seite der Medaille erwähnt er bequemerweise nicht: dass steigende Temperaturen die Anzahl der Kältewellen verringern werden, die für sehr viel mehr Todesfälle verantwortlich sind. Die bisher beste Studie zeigt, dass die Zahl der Hitzetoten bis 2050 um 400.000 zunehmen wird, dass jedoch 1,8 Millionen Menschen weniger aufgrund von Kälte sterben werden. Tatsächlich wird die globale Erwärmung laut der ersten vollständigen Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels weltweit tatsächlich Leben retten.

Arbeit des IPCC anerkennen

Der IPCC hat großmütigerweise erklärt, er wäre schon froh gewesen, wenn Gore den Friedensnobelpreis allein gewonnen hätte. Ich bin froh, dass dies nicht geschehen ist und dass die Arbeit des IPCC zu Recht anerkannt wurde.

Gore hat unerschütterliches Vertrauen darin, dass der Klimawandel die größte Herausforderung ist, vor der die Welt heute steht. Man muss fair sein: Er verdient eine gewisse Anerkennung für seine leidenschaftliche Entschlossenheit.

Der Kontrast jedoch zwischen den beiden diesjährigen Nobelpreisgewinnern könnte größer nicht sein. Der IPCC betreibt sorgfältige Forschung, bei der die Fakten allem anderen vorgehen. Gore verfolgt einen ganz anderen Ansatz. (Bjørn Lomborg, DER STANDARD, Printausgabe 15.10.2007, © Project Syndicate 2007, Übersetzung: Jan Neumann)