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Ein Buch im Rücken kann auch entzücken. Ob Brockhaus oder, wie auf der Antiquariatsmesse, die gesamte diderotsche Enzyklopädie. Allerdings: Gerade die Informationssuche findet heute im Netz statt.

Foto: AP/Meyer

Frankfurt, ein Herbstidyll: Blau und wolkenlos wölbt sich der Himmel, warm streicheln die Strahlen der Sonne die Dächer der Hallen, in denen rund 7500 Verlage die etwa 400.000 papierenen Früchte ihres Tuns präsentieren. Frankfurt lächelt und die Branche, die hier ihren Geschäften nachgeht, lächelt zurück. Das Buchwesen ruht, wie vor Tagen schon zu beobachten, im dritten sorglosen Jahr in Folge - 4,5 Prozent Umsatzwachstum heißt das in Zahlen - geborgen im friedvollen Stimmungshoch.

Gelassen verfolgt man den Strukturwandel, der sich unter den Stichworten Digitalisierung und Marktkonzentration gleichwohl rasant vollzieht. Vielleicht, so denkt man heute, kann er dem Markt auch Nutzen, sprich Auflagensteigerung, bringen: eine Sicht aus Verleger-Perspektive, die der Buchhandel nicht teilt. Während in Österreich die Konzentration sich in der Tat noch in verkraftbarem Rahmen bewegt, irritierte in Deutschland eine Woche vor der Buchmesse der Marktriese Weltbild/Hugendubel, neben Thalia/Douglas die größte Buchhandelskette der Republik, mit der Übernahme der 52 Buchhandlungen in Karstadt-Warenhäusern. Mehr als 510 Filialen hält Weltbild/Hugendubel nunmehr in Deutschland. Gemeinsam mit Thalia kontrollieren sie 16 Prozent des Buchmarkts.

Druck der Konzerne

Der Druck, den solche Konzerne auf die Verlage, Abnahmepreise betreffend, ausüben, ist unschwer vorzustellen. Und das Bild der Buchhandlungen wird zunehmend austauschbarer. 5000 Titel halten die Ketten lagernd. Dass diese in allen 510 Filialen sich wenig unterscheiden, darf als sicher angenommen werden. Kleine Verlage und ihre kostbaren Produkte haben wenig Gelegenheit, auf diesem Weg neue Käufer anzusprechen.

Weshalb die Digitalisierung der Bücher, selbst die Volltext-Digitalisierung, wie sie Google seit einigen Jahren machtvoll betreibt, von den Verlegern zunehmend unterstützt wird.

Mehr als eine Million Titel von insgesamt rund 10.000 Verlagen hat Google inzwischen zur Gänze eingescannt. Allein die Zahl der deutschsprachigen Bücher in dieser rapid wachsenden Internetbibliothek bewegt sich schon im sechsstelligen Bereich.

Viele deutsche Verlage unterstützen heute das Unternehmen, das sie noch vor kurzem aus Angst vor Missachtung des Urheberrechts verdammten. Die Erfahrung zeigt, dass die Suche im Netz das Kaufinteresse anreizt.

Das Konkurrenzprojekt des Deutschen Börsenvereins, im Vorjahr unter dem Namen VTO, Volltextsuche-Online, vorgestellt, heuer in Libreka umgetauft, startet dagegen etwas schwerfällig. 1300 Bücher sind derzeit durchsuchbar. Nun denkt man über eine Kooperation mit Google nach.

Blickrichtung: USA

Die heftige Kontaktsuche der deutschen Verleger in Richtung USA offenbaren auch die aufsehenerregendsten Verlags-Neugründungen der Branche - jener zwei Verlage nämlich, die von hochprofessionellen Ex-Suhrkamp-Führungskräften ins Leben gerufen wurden. Beide Verlage tragen englische Namen: So gründete Gottfried Honnefelder, der über zwanzig Jahre Mitverantwortung trug für das Haus in der Frankfurter Lindenstraße und der heute dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels vorsteht, die Berlin University Press, kurz BUV. Seine Titel lassen sich am ehesten unter dem Oberbegriff Populärwissenschaft beschreiben: eine Evolutionsgeschichte vom Paläontologen Conway Morris, eine Untersuchung über Engel von Andrei Pleu, Wie Bilder Sinn erzeugen von Gottfried Böhm. Manche Titel erscheinen zeitgleich in Englisch. Hallo USA, Berlin University Press geht an Bord.

Weissbooks heißt der Verlag, den Ex-Suhrkamp-Geschäftsführer Reiner Weiss gemeinsam mit Ex-Suhrkamp-Marketingleiterin Anya Schutzbach gründete. Vorwiegend Belletristik soll das Programm bilden, das im Frühjahr 2008 mit zehn Titeln starten wird. Die Schweizerin Jacqueline Moser oder Artur Becker zählen zu den Autoren, Geld soll die Autobiografie von Gisela Getty, Ex-Frau des amerikanischen Milliardärs-Erben J. Paul Getty III., ins Haus spülen. Die Sonne lacht golden über Frankfurt. (Cornelia Niedermeier aus Frankfurt am Main/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 10. 2007)