Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war heute. Und als ich mich nach zehn maillosen Tagen durch den üblichen Wall der jeden Spamfilter durchdringenden Penisverlängerungs- und Schuhputzmaschinenofferte gegraben hatte, blieben zwei Schreiben übrig. Und bestätigten mich darin, dass es eben doch Sinn macht, sich durch den Mail-Schutt zu graben – und wichtiges verloren gehen kann, wenn man nach dem Urlaub den Mailboxinhalt ungesehen und komplett „kübelt“.

Weil ... aber wozu herumerzählen? Die beiden Briefe stehen schließlich für sich. Und – obwohl sie nichts miteinander zu tun haben – auch füreinander. Und weil C. – eine renommierte Kollegin eines Wochenmagazins und Schreiberin des ersten Mails - auf Nachfrage ausdrücklich betonte, dass es ihr sehr sehr recht wäre, ihr Rundschreiben veröffentlicht zu wissen und auch Herr S. (den ich im Gegensatz zu C. nicht kenne) ausdrücklich um Veröffentlichung bat, ist es mir in diesem Fall eine Ehre, mich offen als Copy-Paste-Journalist zu betätigen.

Das Mail von C. (gekürzt)

Liebe Leute, ich weiß nicht wie's in Eurem Bekanntenkreis aussieht, aber in meinem wütet das Fremdenrecht derzeit – trotz (oder wegen?) Arigona. Immer mehr Leute fallen durchs System, finden sich plötzlich als Illegale wieder und sind von Abschiebung bedroht, teils nach vielen Jahren in Österreich, teils in Länder, in denen sie ernsthaft den Tod befürchten. Die stehen mit Aufenthaltsverbot da, können aber natürlich nicht einfach plötzlich weg – die meisten haben ja keine Ahnung, wohin.

Wer hilft, macht sich strafbar. Da das nicht ok ist, gibt es eine Solidaritätsliste. Darauf kann man sich dazu bekennen, dass man selbst weiterhelfen würde, Gesetz hin oder her.

Wenn genug Leute unterschreiben, führt sich das Gesetz irgendwann ad absurdum. Außerdem ist es eine moralische Unterstützung für die, die in Angst vor der Fremdenpolizei leben, nur weil sie für ihre Freunde oder Verwandte tun, was man tun muss.

Bitte unterschreibt. In jedem Fall leitet den Link bitte weiter. gegenabschiebung.wordpress.com

Der Text (ebenfalls gekürzt):

„Das Fremdenrecht führt dazu, dass fast täglich Menschen illegalisiert werden: Wem das passiert, der ist von einem Tag auf den anderen illegalisiert, muss untertauchen oder wird Opfer “aufenthaltsbeendender Maßnahmen”. Fast täglich werden Menschen abgeschoben, die seit Jahren hier leben und sonst kein Zuhause haben, oder sogar fürchten müssen in ihrem Heimatland zu sterben. Wer illegalisierten Menschen hilft, macht sich der “Beihilfe zum illegalen Aufenthalt” schuldig und wird mit bis zu sechs Monaten Haft bedroht: (fl 115 (1) Wer mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europâischen Union erleichtert, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessâtzen zu bestrafen.) Wir finden, dieses Gesetz ist unrecht, und werden es im Ernstfall brechen. Die hier Unterzeichneten geben offen zu: “Ich helfe Menschen im Ernstfall weiter, auch wenn sie illegalisiert wurden”.“

Vielen Dank, C.

Das zweite Mail

Auf den ersten Blick erzählt Herr S. eine ganz andere Geschichte. Aber wirklich nur auf den ersten Blick.

Das Mail von S. (ebenfalls gekürzt)

Ich öchte Ihnen von einer Frau erzählen, welcher ich vor einer halben Stunde in der U3 Station "Volkstheater" begegnet bin. Um 22.20 Uhr war ich bei der U3 Station, wo ich plötzlich einen Jugendlichen von der Kante des Bahnsteiges verschwinden sah. Im ersten Moment dachte ich, meine Wahrnehmung hätte mir einen Streich gespielt. Die kurz darauf in Aufruhr geratenen wartenden Fahrgäste ließen jedoch anderes vermuten. In kürzester Zeit fanden sich zahlreiche hilfsbereite Personen, die den Jugendlichen von den Gleisen hochzogen, den Alarm auslˆsten sowie Rettungskräfte verständigten.

Besonders aufgefallen ist eine Dame mittleren Alters, die sich besonders selbstlos um den Jugendlichen kümmerte. Nachdem sie die Wartenden darüber informierte, dass der er für die Nacht keine Unterkunft hatte und er 25 Euro für eine Übernachtung in der Jugendherberge brauche, bat sie die umstehenden Personen jeweils einen Euro zu spenden. Zahlreiche Personen beteiligten sich, bis auf einmal ein bullig gebauter Herr samt Freundin an die Frau herantrat.

Polizei?

Dem Gespräch nach schien er Polizist in Zivilkleidung zu sein und beschwerte sich über die soziale Tätigkeit der Frau. Er und sein Anhang meinten unisono: "Der geht eh nur zum nächst'n Neger am Korlsplotz!", worauf die Frau die rassistische Äußerung hinterfragte. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte kümmerte sie sich um den verletzten Jugendlichen, mutig und selbstbewusst verteidigte sie ihr soziales Engagement - besonders gegenüber ihrem Kontrahenten.

Ich habe leider verabsäumt dieser Frau zu sagen, wie sehr ich sie für das bewundere was sie getan hat! Es gibt mir ein angenehmes Gefühl zu sehen, dass es Mitmenschen gibt, die anderen bedingungslos (ob nun drogen-/alkoholkrank oder was auch immer) und ohne jegliche Berührungsängste helfen.

LG S