Wien - Trotz der Vertrauenskrise auf den internationalen Finanzmärkten infolge der US-Hypothekenkrise sehen die Experten der Allianz Investmentbank AG weiterhin Aufwärtspotenzial für Aktien. "In Summe sind Aktien - trotz der Kurskorrekturen - auch im kommenden Quartal die beste Asset-Klasse", sagte der Leiter des Aktienportfolio-Managements der Allianz-Gruppe in Österreich, Christian Ramberger, am Montag auf einer Pressekonferenz. Von Aktien sei - wie auch schon im ersten Halbjahr - die beste Rendite zu erwarten.

"Bis zum Jahresende sehen wir für die internationalen Aktienmärkte Kurspotenzial von drei bis fünf Prozent, wenngleich zwischenzeitliche Korrekturen immer möglich sind. Der heimische Aktienmarkt könnte sich sogar etwas besser entwickeln, falls das Strabag-IPO für neuen Schwung sorgt," schätzte Allianz-Vorstand und Chief Investment Officer Martin Bruckner. Mit etwas Sorge beobachtet der Investmentexperte die Aktienkursentwicklung in China. "Die Kurssteigerungen sind fundamental nicht nachvollziehbar. Größere Korrekturen könnten, wie bereits im Februar, einen Domino-Effekt an den Weltbörsen auslösen," so Bruckner.

Trend zu selektiven Investments

Die US-Notenbank habe die durch die US-Hypothekenkrise stark verunsicherten Finanzmärkte mit einer Zinssenkung vorerst beruhigt. Die vollen Auswirkungen der Hypotheken- und Kreditkrise seien aber noch nicht absehbar. Die Anlageexperten der Allianz Investmentbank raten im vierten Quartal zu selektiven Investments. Anleger mit niedriger Risikoneigung sollten ihr Kapital auf hochverzinsten Sparkonten parken und ruhigere Börsenzeiten abwarten.

"Wir würden Aktienkorrekturen als Kaufgelegenheit nützen", empfahl Bruckner risikobereiten Anlegern. Negative Gewinnrevisionen würden zwar sicher kommen, aber sie seien in den Kursen bereits zum großen Teil vorweggenommen. In ihrer Asset-Allocation setzt die Allianz zu 51 Prozent auf Aktien und zu 49 Prozent auf Anleihen und Cash-Positionen.

Die Aktien-Zuversicht der Allianz-Investmentspezialisten setzt den Angaben zufolge voraus, dass es in den USA zu keiner Rezession kommt, sich der Dollar zum Euro "in einer vernünftigen Bandbreite" bewegt und die Inflation nicht stark ansteigt. "Andernfalls würden wir unsere Strategie massiv überdenken", so Bruckner. Das volle Ausmaß der Hypothekenkrise stehe jedenfalls noch nicht fest, da noch nicht nachvollziehbar sei, wie hoch die Wertberichtigungen bei "Subprime Mortgages" seien und wer diese halte, so Ramberger.

Bestehende Unsicherheiten

Bezüglich der makroökonomischen Entwicklung gebe es noch Unsicherheiten: "Die volkswirtschaftlichen Prognosen sind noch nicht angepasst worden - 2007 und 2008 wird es Herabstufungen geben", so Ramberger. In Amerika spreche man von Rezessionsgefahr, die Allianz Investmentbank erwarte dies allerdings nicht. Sollte sich eine Rezession abzeichnen, werde die US-Notenbank Fed schützend intervenieren und die Leitzinsen erneut senken, sind sich die Experten sicher.

Die Anleger sollten bei ihren Investments auf liquide Large Caps (große Qualitätswerte) setzen und auf Small Caps verzichten, da diese in den vergangenen fünf Jahren bereits deutlich outperformed hätten. Zudem seien Wachstumsbranchen wie Technologie, Pharma und Energie zyklisch dominierten Sektoren wie beispielsweise Bauwerten vorzuziehen. Generell sollten die Investoren bei den Unternehmen auf eine niedrige Verschuldung und stabile Cash-Flows achten. Im Finanzbereich sei Selektivität angesagt, räumten die Anlageexperten ein.

Japan vorerst kein Thema

Die regionalen Favoriten seien Euroland, gefolgt von den USA und den Emerging Markets. Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien versprechen die dynamischsten Wachstumsraten. Es sollte sich lohnen, dort "diversifiziert zu investieren", also nicht punktuell auf einzelne Länder zu setzen. Japan hingegen sei wegen seiner enttäuschenden Inlandskonjunktur und mangelnder Aufbruchsstimmung vorerst "kein Thema".

Der US-Mortgage-Markt ist laut Ramberger mit 8.000 Mrd. Dollar (5.645 Mrd. Euro) doppelt so groß wie der US-Staatsanleihenmarkt und somit das größte Teilsegment am amerikanischen Anleihenmarkt. Der Anteil der Hypotheken mit niedriger Bonität ("Subprimes") hatte sich zwischen 2000 und 2007 von 7 auf 15 Prozent mehr als verdoppelt, werde nun aber wieder deutlich sinken. Denn die Unsicherheit, Intransparenz und mangelnde Liquidität in diesem Bereich sind der Ausgangspunkt der Krise.

Starke Korrekturen

Die Aktienmärkte haben stark korrigiert - besonders stark gelitten haben die Finanzwerte. Es ist noch nicht klar, wo die Risiken liegen, wo und wie stark abgeschrieben werden muss. Die Banken wollen sich derzeit gegenseitig kein Geld leihen, die Notenbanken schießen künstliche Liquidität zu. Die restriktive Kreditvergabe werde aber einen dämpfenden Effekt auf die Aktienmärkte haben, da Firmenübernahmen, Private Equity-Transaktionen und Leveraged Buy-Outs schwieriger zu finanzieren sind. In den USA geht die Angst vor dem Rezessionsgespenst um.

Die internationalen Aktienindizes hätten sich aber überraschend schnell von ihrem Einbruch im Sommer erholt. Etliche Indizes, darunter der MSCI-World-Index sowie der US-Leitindex S&P-500, haben sogar neue Höchststände erreicht. "Aus fundamentaler Sicht ist das Umfeld für Aktien weiterhin positiv. Allerdings haben die Risiken für die Weltkonjunktur durch den Credit Crunch als Folge der US-Hypothekenkrise zugenommen. Wir erwarten zwar eine Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums - mit einem Abgleiten der US-Wirtschaft in die Rezession rechnen wir aber nicht", betonte Ramberger.

Während in den USA die Immobilien-, Bau- und Konsumgüterindustrie unmittelbar von der Hypothekenkrise betroffen sind, sollten in Europa und den Emerging Markets kaum direkte Auswirkungen spürbar werden. Anleihen sollten von der Erwartung weltweit stabiler bis sinkender Leitzinsen und von ihrer Rolle als sicherer Hafen in Krisenzeiten profitieren. (APA)