Ahmed Rashid zeigt sich pessimistisch: "Bhutto kommt zurück und wird vielleicht kandidieren dürfen. Doch Musharaf wird bestimmen, wie die Wahl ablaufen wird. Ich glaube nicht, dass sie gewinnen wird dürfen."

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Unterstützer der Ex-Premierministerin Benazir Bhutto.

AP Photo/Shakil Adil)
Macht hat in Pakistan einen Namen und der lautet Pervez Musharraf. Dass sich dies in nächster Zukunft ändern soll, bezweifelt der Journalist Ahmed Rashid im derStandard.at- Interview mit Solmaz Khorsand.

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derStandard.at: General Pervez Musharraf hat vergangene Woche die Präsidentschaftswahl für sich entschieden. Diese Woche soll der oberste Gerichtshof entscheiden, ob seine Kandidatur überhaupt legitim war. Wie wird er entscheiden?

Rashid: Musharrafs Drohung lautet: "Wenn ihr gegen mich entscheidet, werde ich den politischen Prozess beenden." Die Gefahr ist, dass er dann das Kriegsrecht ausruft, womit die Parlamentswahlen verschoben werden würden und Musharraf den Obersten Gerichtshof entmachtet. Deswegen glaube ich nicht, dass das Höchstgericht gegen Musharraf entscheiden wird.

derStandard.at: Wie lässt sich der Protest gegen Musharrafs Militärregime einschätzen. Welche Rolle hatten dabei die Anwälte?

Rashid: Die Bewegung der Anwälte hat es geschafft die Mittelklasse zu mobilisieren und zwar nicht im Namen einer Partei, sondern im Namen der Verfassung und gerechter Wahlen. Ihr Protest war sehr wichtig, damit die Leute verstehen was in Pakistan passiert und sich gegen das Militär stellen.

derStandard.at: Ein Pakistan ohne den Verbündeten des Westens Musharraf wird vielfach dargestellt als Horrorvision mit Extremisten an der Spitze einer Atommacht. Will man mit diesem Argument ausschließlich die Opposition schwächen oder ist etwas dran an dieser Befürchtung?

Rashid: Das ist eines von Musharrafs Argumenten, das er seit sieben Jahren wiederholt. Damit will er den Amerikanern und Europäern zeigen, wie unentbehrlich er ist. Doch die Leute glauben ihm nicht. Aber unglücklicherweise zeigen die Amerikaner keinen Willen ihre Pakistan-Strategie zu ändern. Sie lautet: Unterstützung für Musharraf. Weder die Amerikaner noch die Europäer sind bereit, die demokratische Bewegung in Pakistan zu unterstützen.

derStandard.at: In den vergangenen zwei Jahren gab es Verhandlungen zwischen der exilierten Ex-Premierministerin Benazir Bhutto und Musharraf über eine etwaige Machtteilung unter bestimmten Bedingungen. Warum sollte Musharraf an so einem Deal interessiert sein?

Rashid: Der Hauptgrund war der Druck der Amerikaner. Sie wollten diesen Deal und dachten, dass es zu einer gerechten Machtteilung zwischen Benazir Bhutto und Musharraf, also zwischen Militär und Zivilgesellschaft, kommen würde. Aber Musharraf hatte nie die Intention, seine Macht zu teilen. Was wir sehen werden ist Folgendes: Bhutto kommt zurück und wird vielleicht kandidieren dürfen. Doch Musharaf wird bestimmen, wie die Wahl ablaufen wird. Ich glaube nicht, dass sie gewinnen wird.

derStandard.at: Selbst wenn sie die Parlamentswahlen im Jänner gewinnen sollte, wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich behaupten mit einem Präsidenten Musharraf im Rücken kann?

Rashid: Ich glaube, dass Benazir Bhutto in der Falle sitzt. Sie hat die Situation missverstanden. Auch auf ihrer Seite gab es aller Voraussicht nach viel amerikanischen Druck um diesen Deal durchzusetzen. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Abmachung zwischen Musharraf und Bhutto halten wird. Ein Zeichen wäre es, wenn Musharraf sich offen zu einer Machteilung bekennen würde. Aber das hat er nicht getan. Ein weiters Zeichen wäre es, wenn er die Militärs aus diversen Posten zurückziehen würde. Tausende von ihnen sitzen auf hohen Posten in den Universitäten, den Banken, den Unternehmen. Aber diese Zeichen gibt nicht.

derStandard.at: Wie viel Glaubwürdigkeit genießt Bhutto nach den Verhandlungen mit Musharraf noch?

Rashid: Ihre Partei, die Pakistan People Party (PPP), repräsentiert ein Drittel aller Wähler. Die Partei steht für einen säkularen anti-militaristischen und anti-extremistischen Kurs. Dafür gibt es auch die Wählerschaft. Die Frage ist, wie wird sie diese Wähler mobilisieren können. Es gibt viele in der PPP, die Bhutto kritisieren und gegen die Verhandlungen mit der Armee waren. Die Partei ist gespalten.

derStandard.at: Welche Rolle messen sie Ex-Premier Nawaz Sharif bei, dem Chef der Muslim-Liga, der 1999 von Musharraf geputscht wurde und wie Bhutto im Exil lebt. Könnte er sich nun als einzig legitimer Oppositionskandidat profilieren?

Rashid: Seit er gekommen ist, und wieder weggeschickt wurde, sind seine Popularitätswerte gestiegen und jene von Bhutto gefallen. (Anm. Sharif kam nach sieben Jahren Exil im September nach Islamabad und wurde vier Stunden nach seiner Ankunft nach Saudi Arabien abgeschoben.) Das zeigt, dass die Leute diesen Deal mit der Armee nicht wollen. Sharif hat eine sehr extreme Position. Er will nicht mit Musharraf sprechen. Seine Ideologie ist sehr rechts. Er wäre bereit eine Allianz mit den Mullahs einzugehen. In dieser angespannten Situation wäre so eine Allianz gefährlich.

derStandard.at: Gesetzt dem Fall, in Pakistan finden faire Wahlen statt: Mit wie viel Zuspruch könnten islamische Extremisten rechnen?

Rashid : Wenn wir freie Wahlen hätten – was unter Musharraf unmöglich ist –, glaube ich nicht, dass die extremistischen Kräfte mehr gewinnen würden als ihre üblichen sechs bis sieben Prozent. Extremismus ist nicht sehr populär in Pakistan. Die pakistanische Gesellschaft wird zwar immer konservativer, religiöser und anti-amerikanischer, aber das heißt nicht dass sie extremistischer wird. (Solmaz Khorsand, derstandard.at/15.10.2007)