Zuerst die gute Nachricht. Im dumpfen Gefühl, man könne den Bundespräsidentschaftswahlkampf nicht früh genug eröffnen, zählte am Wochenende Michael Fleischhacker in der "Presse" eins und eins zusammen, kam auf ungefähr fünf und befand: Die Verheinzfischerung der Welt schreitet voran. Das konnte er beweisen: Am Freitag erhielt Al "Heinz" Gore den Friedensnobelpreis.

Der Mann hat Witz. Und der Frust darüber, dass die Verfleischhackerung Österreichs, die in der Erkenntnis besteht, das Land zerfalle in eine Masse von Trotteln und einen, der es ihnen allwöchentlich enthüllt, nicht von der Stelle kommen will, macht ihn sensibel für die Gefahren, die dem Staat von seinem Oberhaupt drohen. Faktum ist, dass die vermehrten Staatsfernsehauftritte des österreichischen Bundespräsidenten einen wesentlichen Beitrag zur Delegitimierung praktischer Politik in Österreich leisten.

Wenn das wahr wäre, müsste man angesichts der praktischen Politik, die von dieser Koalition ausgeht, eher auf einer weiteren Vermehrung der Staatsfernsehauftritte des Bundespräsidenten bestehen als auf Kritik daran. Nicht zuletzt aus der "Presse" ist schließlich zu erfahren, wie es um diese Politik bestellt ist - seit Wolfgang Schüssel von den Wählerinnen und Wählern ein wenig delegitimiert wurde. Nur wenn Journalisten, die unter der Last ihrer Verantwortung für das Land schier zusammenbrechen und dabei genau wissen, was geschehen müsste, damit endlich alles gut wird, wo doch der Bundespräsident keine Verantwortung trägt und auch noch ein politisches Amt bekleidet, in täglichen Kommentaren ihre mehr oder weniger wesentlichen Beiträge zur Delegitimierung praktischer Politik in Österreich leisten, ist das in Ordnung.

Gar keinen Schaden soll die Pressefreiheit in Österreich stiften? Wo es doch in manchen Fällen sogar zu Überlegitimierungen kommen kann, wenn auch in persönlichem Interesse, wie die Krokodilstränen verrieten, die Andreas Unterberger ebenfalls am Samstag in der "Wiener Zeitung" zur Verblüffung seiner Leser vergoss. Schade um Caspar Einem. Sein Abgang reduziert die ohnedies geringe Zahl der Volksvertreter mit Intelligenz, Stil und Wissen.

Da wird der Abgang des linken Gottseibeiuns in der SPÖ vom habituellen Linken-Fresser im Organ der Republik beweint - kann das aus reinem Herzen kommen? Keine Sorge. Unterberger wollte nur wieder einmal dem Mann, der ihm den Job verschafft hat, seinen Dank abstatten und suchte nach einer Abfederung der Peinlichkeit. Das Defizit an solchen Persönlichkeiten, wechselte er von Einem zu einem anderen, zeigte sich etwa in der jüngsten Parlamentsdebatte, wo außer ÖVP-Übervater Wolfgang Schüssel kein einziger den Standard erreichte, mit dem man international reüssieren könnte. Wenigstens einem ist es aufgefallen - man will seine Inthronisation ja nicht irgendwem verdanken.

Wie Unterbergers Geistesblitze auf den Theaterdonner seines Kulturredakteurs Edwin Baumgartner einwirken, lässt schon an eine sadomasochistische Beziehung glauben. Der Literatur-Nobelpreis ist längst zu einem Preis für politisch korrekte Gesinnung geworden, mit dem entweder die Schwedische Akademie die ihre beweisen oder die eines Autors auszeichnen will, schöpfte Baumgartner schon eine Woche vor der Bekanntgabe Verdacht. Das Problem: Schließlich kommen die kommunistischen Autoren zusehends abhanden. Und eine links-linke Gesinnung ist schon wesentlich. . . Besser wäre es obendrein, keinen Autor, sondern eine Autorin zu küren - Stichwort: Feminismus. Noch besser (von wegen politische korrekt) eine moslemische Autorin. Am besten eine, die Gedichte schreibt und in einem christlichen Land wegen was auch immer im Gefängnis gesessen ist oder, am allerbesten, noch sitzt. Also eine inhaftierte moslemische kommunistische Frauenbewegungs-Lyrikerin. Wenn sie obendrein weder lesen noch schreiben kann, sondern ihre Gedichte diktiert, ist das Glück der Juroren vollkommen. Wie solchen Vorgaben entsprechen?

Ganz hat das Nobelpreis-Komitee Baumgartners Horrorvisionen nicht realisiert. Aber es reichte, um ihn die Meldung mit dem Satz beginnen zu lassen: Gregor Gysis Tante bekommt den Nobelpreis für Literatur, womit der Skandal einer elften (!) Literaturnobelpreisträgerin perfekt und Baumgartners Ahnung von der Macht der Frauenbewegung ebenso wie sein Generalverdacht des Kommunismus erhärtet war.

Schwedisches Gutmenschentum befördert in einem Geist vom Geiste Unterbergers Verschwörungstheorien. Samstag imaginierte er einen Dialog aus dem Komitee. Während Schnaps saufende Herren noch zwischen Gotthold Ephraim und Doris schwanken, hat eine außenstehende Drahtzieherin längst entschieden - wie der Autor in einer Fußnote verrät: Ebba Witt-Brattström ist die Frau von Horace Engdahl, dem Vorsitzenden jenes Komitees, das den Literatur-Nobelpreis vergibt. Sie ist Literaturprofessorin und Feministin.

Einem Baumgartner kann man nichts vormachen. (Günter Traxler/DER STANDARD; Printausgabe, 16.10.2007)