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Böhler-Uddeholm-Chef und voest-Vorstand Claus Raidl sieht im Kodex eine "Schönwetterveranstaltung" und ruft nach dem Gesetzgeber.

Foto: AP/Punz
Wueb - Bei den nächsten Revisionen des Corporate Governance Kodex - der Aufstellung mehr oder weniger verbindlicher Benimmregeln für börsenotierte Firmen - wird es Verschärfungen geben. Der Gesellschaftsrechtler Christian Nowotny von der WU Wien erwartet, dass aus einigen Empfehlungen Verpflichtungen werden: "Bei manchem wird man Gesetze brauchen". Böhler-Uddeholm-Chef und voest-Vorstand Claus Raidl sieht im Kodex eine "Schönwetterveranstaltung" und ruft nach dem Gesetzgeber. Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) bremst.

Raidl sagte, er habe zuletzt seine Meinung geändert: "Wir werden mehr gesetzliche Regelungen brauchen", forderte er am Dienstag Abend bei einer Diskussion zu "5 Jahre österreichischer Corporate Governance Kodex". Anders als im angelsächsischen Raum hätte ein Kodex in Österreich nur "Beiwerk"-Charakter, so nach dem Motto "wir wern kan Richter brauchen", was laut Raidl "die ganze verlogene Mentalität der Österreicher zeigt".

Kiritik an MEL

Fast zwei Stunden dauerte die Diskussion in der Kontrollbank, bis der aktuellste Anlassfall MEL beim Namen genannt wurde. Wie berichtet hat die Ratingagentur Standard & Poor's schwere Corporate Governance-Mängel bei der Meinl European Land (MEL) geortet. Raidl nannte bei der Diskussion vor allem den Punkt 62 im Kodex, den die MEL nicht erfülle. "Darin steht sehr deutlich, die Gesellschaft legt, soweit ihr das bekannt ist, die aktuelle Aktionärsstruktur ("Stichwort: Partly Paid Shares") differenziert nach geographischer Herkunft ("Jersey, Karibik") und Investortyp offen", so Raidl. MEL habe das immer noch nicht getan.

Laud Raidl müssten gewisse Dinge, die Publizität beträfen, wohl doch "verrechtlicht" werden: "Da kann man ins Gesetz schreiben, jede Gesellschaft hat ihre Aktionäre so weit bekannt zu veröffentlichen".

Warnung vor Verabschiedung aus Selbstregulierung

"Wenn Claus Raidl mal nach dem Gesetzgeber ruft, werde ich nachdenklich", räumte Vizekanzler und Finanzminister Molterer bei der Diskussion ein. Er warnte allerdings davor, sich aus Selbstregulierungen des Marktes zu verabschieden: "Ich kann nicht auf einer Seite über Überregulierung klagen und auf der anderen Seite die Selbstregulierung in Frage stellen".

Relevant seien hier wie da vor allem die Fragen nach Konsequenzen und Sanktionen bei Fehlverhalten, betonte Molterer. Markttransparenz sei essentiell für das Funktionieren von Märkten.

Molterer plädiert für einen "vernünftigen Mix" aus Gesetzes- und freiwilligen bzw. empfohlenen Reglements für Börsefirmen - also von "L"-Regeln und "C"-Regeln im Kodex. "L-Regeln" sind im Corporate Governance Codex Legal Requirements, also Regeln, die auf zwingenden Rechtsvorschriften beruhen. "C"-Regeln heißen im Kodex jene, die eingehalten werden "sollen", Abweichungen müssen erklärt und begründet werden, um ein kodexkonformes Verhalten zu erreichen. Für den IVA-Mann Rasinger sind solche Erklärungen "hie und da schon eine Zumutung".

Grenze für Meldeschwellen herabsetzen

Wie der Wissenschafter Nowotny ist auch Raidl dafür, die Grenzen für die Meldeschwellen von 5 auf 3 Prozent herabzusetzen, "und zwar ebenfalls per Gesetz". Wilhelm Rasinger, Chef des Interessenverbands für Anleger (IVA), befürwortet solche Überlegungen, ist zudem dafür, das nicht nur auf direkten Aktienbesitz zu beschränken, sondern eine gesetzliche Meldepflicht auch für Optionen einzuführen. Diese dienten ja oftmals dazu, diese Mindestmeldeschwellen für Aktien zu umgehen. Tiefgreifendere Informationspflichten über die Aktionärsstruktur hielte er auch für wichtig.

Mehr als 95 Prozent der Marktkapitalisierung hielten sich an die bisherigen Corporate Governance-Regeln, berichtete der Kapitalmarktbeauftragte Richard Schenz. Drei Anpassungen gab es im Kodex seit seiner Installierung vor fünf Jahren. Das Regelwerk diene der Stärkung des Anlagervertrauens. Schenz spricht von einem "permanenten Prozess", "auch wenn es fallweise Rückschläge gibt". Schenz sitzt dem Kodex-Arbeitskreis vor.

Ein Großteil des Kapitals zeige, dass es gar nicht so schwierig sei, die Regeln einzuhalten, sagte Börsevorstand Heinrich Schaller. Dass diese Auflagen Börsefirmen bisher an Emissionen gehindert hätten, könne er definitiv mit "nein" beantworten. Er plädierte allerdings dafür, bei der Weiterentwicklung des Kodex "unbedingt" weiter auf freiwilige Basis abzustellen.

Sanktionen, so die Börseexperten in der Diskussion, würden sich vor allem im Kurs wiederspiegeln: Investoren straften Emittenten für schlechte Corporate Governance ab. Dass - wie eine Mc-Kinsey-Studie errechnete - Investoren gemeinhin zwischen 20 und 25 Prozent "Prämie" auf den Aktienpreis zahlen für Wohlverhalten, konnte in der Diskussion allerdings nicht verifiziert werden. Fondsmanager neigten eher dazu, aus einer Fülle von Angeboten ein Investment zur Seite zu legen, wenn ihnen zu viele Fragen offen blieben. (APA)