Während in Österreichs Bevölkerung die Türkei-Skepsis überwiegt, lässt Österreichs größter Stromkonzern Verbund nichts über das nach Energie gierende Land kommen. Die Verbund-Spitze räumt der Türkei Top-Priorität in ihrer Konzernstrategie ein.

"EnergjiSA ist das wichtigste Jointventure, in das der Verbund hineingeht", sagte Michael Pistauer am Dienstag bei einem Besuch des Partnerkonzerns Sabanci in Istanbul. Sabanci ist nach der Firmengruppe Koc das größte private Unternehmen in der Türkei. Die an der Börse in Istanbul notierte Holding, die wie der Verbund 50 Prozent an der Anfang Juni gestarteten EnergjiSA hält, gehört zu 75 Prozent der gleichnamigen Familie.

Sabanci, unter deren Holdingdach sich 70 Unternehmen aus dem Finanz-, Kraftfahrzeug-, Textil-, Einzelhandels- und Chemiesektor befinden, hat im Vorjahr trotz Umsatzsteigerung um 21 Prozent auf konsolidiert 17 Mrd. türkische Lira (9,4 Mrd. Euro) einen Rückgang beim Vorsteuerergebnis um 22 Prozent auf umgerechnet 546 Mio. Euro hinnehmen müssen. Grund waren niedrigere Profite bei den Finanzdiensten.

Fokussierung auf Kernbereiche

Nun will man durch eine Fokussierung auf Kernbereiche das Steuer herumreißen. Als einer der Sektoren mit dem größten Potenzial wurde das Stromgeschäft identifiziert; allein im heurigen Jahr habe der Stromverbrauch um 9,5 Prozent zugenommen, sagte Holding-Chef Ahmet Dördüncü. Mit seinem Einstieg bei EnergjiSA hat der Verbund, der außerhalb Österreichs auch noch Jointventures in Italien (Sorgenia) und Frankreich (Poweo) betreibt, 330 Mio. Dollar (231 Mio. Euro) überwiesen.

Zusammen wollen beide Unternehmen rund 6,5 Mrd. Dollar in Erzeugungskapazitäten (Wasserkraft, thermische Kraftwerke, Windparks) investieren – mit dem Ziel, bis 2015 auf 5000 Megawatt (MW) installierte Leistung in der Türkei zu kommen. Derzeit kommt EnergjiSA auf 450 von insgesamt in der Türkei installierten rund 40.000 MW.

Eine 40-prozentige Eigenkapitalquote unterstellt würde das für den Verbund rund 1,3 Mrd. Dollar bedeuten, die er selbst beisteuern müsste.

Weil man aber interessiert ist, auch an Verteilnetze zu kommen, könnten nach STANDARD-Informationen noch "einige hundert Mio. Euro" zusätzlich spruchreif werden. Für 2008 wird die Ausschreibung des Stromvertriebs in Ankara, dem asiatischen Teil Istanbuls und der aufstrebenden Stadt Sakarya erwartet. (Günther Strobl aus Istanbul, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.10.2007)