Wiener Naschmarkt, Treffpunkt der ersten und zweiten Generation. Wie aber sieht die Integration aus?

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Wie lebt es sich nach der Einwanderung? Viele der Nachkommen der ab 1960 von EU-Ländern angeworbenen Arbeitnehmer sind erwachsen. Doch wie gut ist diese zweite Generation integriert?

Mit "TIES" (The Integration of the European Second Generation) setzt sich nun ein internationales Forschungsprojekt mit Leben und Erfahrungen dieser jungen Erwachsenen auseinander. Im Fokus stehen Nachkommen von Einwanderern aus Exjugoslawien und der Türkei - verglichen mit gleichaltrigen Erwachsenen ohne Migrationshintergrund - in acht europäischen Ländern, darunter auch Österreich.

Erstmals werde dabei die Situation der zweiten Generation mittels standardisierten Verfahren ermittelt, erklärt Barbara Herzog-Punzenberger (Institut für Europäische Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften), Studienleiterin des heimischen Teils. Erhoben werden wirtschaftliche und soziale Situation sowie Bildungsverläufe und Identifikationsprozesse wie Erwerbstätigkeit, Sprache, Familienbeziehungen, Geschlechterrolle, Religion, politische Partizipation und Diskriminierungserfahrung. Aber wozu?

"Weil in den meisten Ländern, darunter auch Österreich, grundlegende Informationen über die zweite Generation fehlen", begründet Herzog-Punzenberger. Die Analyse der erhobenen Daten werde nicht nur die in vielen Ländern bestehenden Lücken schließen, sondern erstmals einen international vergleichbaren Datensatz zu generationenübergreifenden Integrationsprozessen in Europa schaffen. "Und daraus lässt sich dann ein Handlungsleitfaden für eine effiziente lokale Integrationspolitik erarbeiten." Zumindest in den anderen Staaten - in Österreich scheint dies nicht gewollt zu werden.

Mangelnde Finanzen

Insgesamt wurden fünfzehn Städte als Befragungsorte ausgewählt: Berlin und Frankfurt in Deutschland, Zürich und Basel in der Schweiz, Paris und Straßburg in Frankreich, Madrid und Barcelona in Spanien, Amsterdam und Rotterdam in den Niederlanden, Brüssel und Antwerpen in Belgien, Stockholm in Schweden sowie Wien und Linz in Österreich. Für ihren Teil erhält die Ethnologin 250.000 Euro (auf drei Jahre) vom FWF, allein 130.000 Euro davon gehen für die Befragung auf. Da der Rest nicht ausreicht, suchte Herzog-Punzenberger nach Drittmitteln und fand sie - freilich nicht in Österreich. "Die deutsche Volkswagenstiftung unterstützt mich mit weiteren 40.000 Euro." Das war's dann.

Anders als in den übrigen sieben Staaten, in denen öffentliche Hand und Stiftungen auch die Nachbereitung der Daten zu einem politischen Instrumentarium finanzieren, wollen in Österreich Parteien und Kommunen keinen Handlungsbedarf sehen, geben keine Gelder frei.

"In Österreich gibt es keine Kultur, sich kritischen Diskussionen zu stellen", bedauert Herzog-Punzenberger. Wohl aber unterscheide sich dieses von anderen Ländern darin, dass Antidiskriminierungsgesetzen keine Bedeutung zugemessen werde. Auch verwendeten Verantwortliche den Begriff Integration synonym zu Assimilation, von der niemand spreche. Die Ethnologin selbst geht vom "bürgerschaftlichen Integrationsbegriff" aus: frühestmögliche Einbürgerung, verbunden mit allen Rechten und Pflichten eines Staatsbürgers.

Erste Tendenzen

Zur Situation der in Österreich geborenen zweiten Generation gebe es erst zum Abschluss des Projekts 2008 Ergebnisse, aber heute schon erste Ahnungen (aufgrund der Daten der Volkszählung): In der Altersgruppe 25 bis 35 gebe es gleich viel österreich- wie türkischstämmige Hausfrauen, bei jugoslawischstämmigen weniger. Frauen der zweiten Generation seien zum selben Prozentsatz in den Arbeitsmarkt integriert wie österreichstämmige, doch sei die Arbeitslosigkeit in der zweiten Generation generell um das Zwei- bis Dreifache höher.

Und der Anteil derer, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, liege im Vergleich zwischen österreich-, jugoslawisch- und türkischstämmigen Männern bei zehn, 29 und 41 Prozent, bei Frauen bei 16, 33 und 54 Prozent. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2007)