Heute ist das irakische Kurdistan die Vorzeigeregion des Irak – in der Tat die einzige, in der die Obrigkeit ihr Gewaltmonopol durchsetzt. Für die Türkei muss es tatsächlich frustrierend sein, dass sich nichts daran geändert hat, dass die Region Rückzugsgebiet für Terroristen bleibt. Für die türkische Regierung Erdogan gilt das umso mehr, als sie eine offenere Politik sowohl den Kurden im eigenen Lande als auch gegenüber dem irakischen Nachbar im Osten verfolgt. Die Dividende dieser Politik ist ausgeblieben.
Gefahren in keinem Verhältnis zu irgendeinem Nutzen
Womit nicht eine Sekunde lang der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen einer Militäroperation das Wort geredet werden soll. Ihre Gefahren stehen in keinem Verhältnis zu dem, was sie der Türkei an kurzfristigem militärischem Nutzen bringen könnte (wenn denn die PKK überhaupt noch in ihren nordirakischen Basen anzutreffen ist). Ganz abgesehen von den möglichen innenpolitischen Schäden.
Das wissen natürlich alle Beteiligten. Die diplomatischen Bemühungen um eine Lösung laufen auf Hochtouren: Was bereits als Beweis dafür gelten mag, dass die Drohung mit einer Militärintervention effektiver ist und nachhaltigere Resultate bringen könnte als die Intervention selbst.
Bagdad zumindest ist endlich aufgewacht: Der schiitische Premier Nuri al-Maliki schlägt beinahe flehende Töne an, der sunnitische Vizepräsident Tarik al-Hashimi wurde nach Ankara geschickt. Wobei die Einflussmöglichkeiten der irakischen Zentralregierung in Kurdistan gleich null sind. Und die Beziehungen zwischen Erbil und Bagdad sind wegen des Streits um das Ölgesetz denkbar schlecht.
Distanzierung vom PKK-Terror
Umso wichtiger ist die Distanzierung vom PKK-Terror, mit der der Premier der kurdischen Regionalregierung in Erbil, Nechirvan Barzani, aufhorchen ließ. Ankara beeilte sich zu erklären, dass sie im Irak nur gegen die türkische PKK, gegen nichts sonst, vorzugehen beabsichtige.
Wenn es nur eine Garantie gäbe, dass sich das alles so kontrollieren lässt. Im Pulverfass Irak reicht ein Funke, um neue Brände zu entzünden. Schon geben arabische Stämme (namentlich 16 Scheichs des großen Jubur-Stammesverbands) die Erklärung ab, gegen türkische Invasoren vorgehen zu wollen. So berichtet es jedenfalls die kurdische Zeitung Xebat. Dieses arabische Hilfsangebot muss für die Kurden fast wie eine Drohung klingen – Kurdistan ist voll von arabischen Flüchtlingen, und das Gleichgewicht immer prekär. Mit den Arabern streitet man um den zukünftigen Verlauf der Südgrenze der kurdischen Region.
"Verschwörung"