Als die Veterinärmedizinische Universität Wien (VUW) im Juli 2005 vor die Tatsache gestellt wurde, dass ein Zulassungsverfahren implementiert werden konnte, war dies für uns Chance und Herausforderung. Chance, weil dadurch denjenigen Bewerber/innen, die das Verfahren positiv durchlaufen würden, optimierte Ausbildungsbedingungen geboten werden sollten; Herausforderung, weil das Verfahren innerhalb kürzester Zeit auf die Beine zu stellen war und dabei Eignung für Studium und Beruf das Zielkriterium schlechthin war, nicht einfach Schulnoten oder Herkunft.

Diesem Ziel verpflichtet haben wir das Zulassungsverfahren der VUW auch umgehend evaluiert; die Ergebnisse sind in der Tendenz wenig, in der Dimension jedoch enorm überraschend. Während beispielsweise in den Jahrgängen vor 2005 nur rund 35 Prozent der Studierenden den ersten Studienabschnitt in der Regelstudienzeit absolviert haben, waren es im ersten Jahrgang des Auswahlverfahrens unglaubliche 75 Prozent! Dabei haben sich auch die erzielten Noten im ersten Studienjahr stark verbessert.

Besseres Arbeitsklima

Nach der Evaluation wagen wir daher die Behauptung: Wir haben es geschafft, diejenigen zu finden, die für das Studium an der VUW am besten geeignet sind. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt unserer Meinung nach darin, unterschiedliche Qualitäten der Bewerber/innen in die Auswahl einfließen zu lassen. So werden zwar auch bestimmte relevante Schulnoten in der Bewertung berücksichtigt, aber auch die Motivationslage sowie kommunikative und soziale Fähigkeiten haben einen hohen Stellenwert und werden im Zuge des Aufnahmeverfahrens bewertet.

Zur Illustration: Das Zulassungsverfahren an der VUW ist vierstufig aufgebaut, wobei sich den ersten drei Stufen alle Bewerber/innen zu unterziehen haben: Erfassung der Abschlussnoten, Bewertung des Bewerbungsschreibens und Eignungstest. Aus diesen Ergebnissen werden 75 Prozent der Plätze vergeben. Stufe vier sind Auswahlinterviews, anhand derer die restlichen Plätze zugewiesen werden. Mit dieser Mehrstufigkeit sollen etwaige Schwächen eines Verfahrensschrittes gegebenenfalls durch einen anderen kompensiert werden, was offenbar auch gelungen ist.

Ganz nebenbei hat sich dabei in den vergangenen zwei Jahren das Klima unter Studierenden und Lehrenden an der VUW wesentlich geändert: Die Studienanfänger gehen motivierter und positiver an ihr Studium heran. Die Lehrenden antworten darauf mit noch mehr Engagement und Herausforderung.

Es fällt vielleicht auf, dass hier noch kein Wort zur Herkunft der Bewerber/innen gefallen ist. Sie ist für ein qualitätsbezogenes Verfahren grundsätzlich auch unerheblich; es gibt keine Herkunftsquoten. Der Anteil der Erstsemestrigen aus Deutschland liegt seit Einführung des Zulassungsverfahrens bei etwa 37 Prozent, wobei das Verhältnis von Bewerbern zu Zugelassenen deutlich höher ausfällt als bei den Österreichern. Allerdings waren die aufgenommenen deutschen Studierenden des Jahrgangs 2005 signifikant erfolgreicher als die österreichischen. Und während die Schulnoten der beste Prädiktor für den Studienerfolg der österreichischen Studierenden waren, lieferten die Ergebnisse der Interviews bei den deutschen Studierenden die besten Aussagen über den künftigen Erfolg. Jedenfalls bestehen signifikante Zusammenhänge zwischen Zulassungsverfahren und dem Studienerfolg.

Intensivere Betreuung

Bei aller positiven Rückschau sei aber auch eines zugegeben: Das Aufnahmeverfahren ist ausgesprochen arbeitsintensiv. Doch das sind uns die Bewerber/innen wert, weil wir die besten von ihnen an unsere Universität holen wollen. Die zukünftigen Tätigkeitsfelder der Absolventen, vor allem die Arbeit in einem Gesundheitsberuf, sind klarer umrissen als in anderen Studien, was der VUW die Auswahl auch im Hinblick darauf sicher leichter macht als anderen Universitäten.

Doch ist es tatsächlich so falsch, Bewerber/innen in Gesundheitsberufen schon vor Studienbeginn auch nach sozialer und Kommunikationskompetenz zu prüfen? Ist das Zulassungsverfahren und die Zugangsbeschränkung nicht auch eine großartige Chance für diejenigen, die aufgenommen werden und gerade wegen der Beschränkung intensiver betreut werden können?

Bietet nicht genau ein solches Zulassungsverfahren bessere Möglichkeiten für berufstätige Studierende als eine minimalisierte Betreuung, gepaart mit einer unüberwindlichen Dichte lernintensiver Prüfungen, die letztendlich nur Drop-outs provozieren? Ist es nicht besser, die Entscheidung für oder gegen ein Studium zu treffen, bevor Semester und Jahre verloren sind?

Oder glauben wir tatsächlich, dass die Eignung für ein Studium und das damit verbundene Berufsfeld eher messbar ist durch Schnelligkeit bei Prüfungsanmeldungen, Wartefähigkeit auf Übungsplätze, Zurückhalten von Informationen gegenüber Kollegen, damit man selbst noch Plätze für Lehrveranstaltungen bekommt, aufrechtes Überstehen von Knock-out-Prüfungen in den Anfangssemestern oder durch die längerfristige Sprudelfreudigkeit der elterlichen Geldquellen? (DER STANDARD Printausgabe, 18. Oktober 2007)