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Andreas Ivanschitz bedankt sich beim Innsbrucker Publikum.

Foto: Reuters/Ebenbichler

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Josef Hickersberger bricht nach dem Sieg nicht in Euphorie aus.

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Innsbruck - Uli Stielike war ein zufriedener Verlierer. Weil er Josef Hickersberger, seinem Kollegen, den Sieg gegönnt hat. "Ich freue mich für ihn, er hat den Erfolg mehr gebraucht als ich." Der Teamchef der Elfenbeinküste war den Österreichern nicht barsch, denn sie hätten den Seinen die Augen geöffnet. "Wir waren geblendet von der Realität. Sie warfen alles in die Waagschale, spielten am obersten Limit. Ich habe Österreich so kampfstark erwartet, wir wählten die falschen Mittel. Ich bin dankbar für die Niederlage."

Der Fußball kann verrückt sein. Zum Beispiel am 17. Oktober 2007 im Innsbrucker EM-Stadion. An diesem Tag hat er durchgedreht. Da öffnete eine Mannschaft einer anderen die Augen, und zwar ausgerechnet eine, der ein zumindest zehnmonatiger Tiefschlaf (neun Partien ohne Sieg) vorgeworfen wurde. Sie wurde ausgelacht, man hängte ihr Eigenschaften wie "unfähig" oder "leblos" um. Hickersberger wurde die Schuld am Jammer zugewiesen. Auch von einigen Landesverbandspräsidenten. Die Kritiker der Elche sind bekanntlich selber welche. Objektiv betrachtet könnte man dem Teamchef "Menschlichkeit", "Fachwissen", "Würde" und "Geradlinigkeit" vorwerfen, aber das kommt eben nur mäßig an.

Ein erstaunliches 3:2 gegen die Elfenbeinküste hatte die Folge, dass der am Donnerstag abgewickelten ÖFB-Präsidiumssitzung jeglicher Reiz genommen war. Dem Leichenschmaus fehlte die Leiche, das Mittagsbuffet war trotzdem lecker. In einigen Redaktionen soll es zu Selbstverstümmelungen gekommen sein. Verbandschef Friedrich Stickler teilte mit: "Hickersberger ist der Teamchef bei der EURO. Ende der Debatte, es herrscht Ruhe." Der nicht mehr zur Debatte Stehende konnte mit aller Kraft ein Lächeln nicht ganz unterdrücken,

Am Tag davor waren die Spieler mit sich und der Welt eins. Andreas Ivanschitz, Joachim Standfest und andere, die Journalisten vor die Zettel liefen, meinten, man habe ein Zeichen gesetzt. Sie hätten für den Trainer gespielt. Ivanschitz: "Wir konnten ihm das Vertrauen zurückgeben. Ich hoffe, der Sieg war richtungsweisend." Standfest: "Es geht darum, die Leistung zu bestätigen." Gelegenheiten bieten der 16. und 21. November, die Partien gegen England und Tunesien im Happel-Stadion.

Nette Begleitung

Hickersberger analysierte am Tag danach. Ruhig, besonnen, einige seiner Vorgänger hätten wohl abgerechnet. Er dankte jenen, die ihn unterstützt hatten, als Beispiel führte er Herbert Prohaska an. Und einen älteren Herrn, der ihn zum Hotel begleitet hat. Weil sich Hickersberger in Innsbruck hoffnungslos verlaufen hatte. "Wir haben ein Vorbereitungsspiel gewonnen, nicht mehr, nicht weniger. Aber die Leistung gegen einen WM-Teilnehmer war gut, wir ließen den Ball zirkulieren. Der Spielverlauf war günstig."

Die Tage davor seien von "Selbstzerfleischung" geprägt gewesen. "Die muss man abstellen. Sie ist leider typisch für unser Land. Vom Hero zum Zero." Hickersberger warnte vor Übermut: "Bleiben wir realistisch, unterstützen wir das Team bedingungslos."

Natürlich habe ihn gefreut, dass die Kicker den Sieg quasi ihm gewidmet haben. "Ich habe immer dann für einen Trainer gespielt, wenn ich Angst hatte, dass ein schlechterer nachkommt." Es war also ein verblüffendes Match. Keiner ist abgefallen, Roman Kienast, der in der zweiten norwegischen Liga für Ham-Kam stürmt, entpuppte sich als Verstärkung, er beschäftigte mit seinem robusten Körper tatsächlich die Abwehr der Elfenbeinküste. Ihre Verteidiger sind zum Beispiel bei Arsenal angestellt. Oder der 21-jährige Franz Schiemer, der mit Martin Hiden (34) Leute wie Didier Drogba im Griff hatte. Drogba schoss seine Tore aus Standards, Freistoß und Elfer. Der Austrianer Schiemer hatte Hickersberger schon lange vor dem Match verblüfft. Auf der Fahrt von Schruns nach Innsbruck las er im Bus ein Buch, "die österreichische Seele" von Erwin Ringel. Hickersberger erzählte Schiemer von einem Abendessen mit Ringel, der hörte andächtig zu. So wie Hickersberger einst Ringel zugehört hat. "Was kränkt, macht krank" sagte Ringel, wiederholte Hickersberger.

Den Teamchef dürften die Anschüttungen nicht gekränkt haben. "Weil ich ja gesund bin, das gehört zum Job." Uli Stielike sagte noch: "Österreich ist bei der EURO krasser Außenseiter. Nehmt die Rolle doch dankend an, sie ist eine schöne." Auch dafür war Josef Hickersberger dankbar. (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe 19.10.2007)