Berlin - Für die in den vergangenen Wochen auf eine harte Geduldsprobe gestellten Bahnkunden in Deutschland gibt es eine Atempause. Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn setzt die Lokführergewerkschaft GDL ihre Streiks bis einschließlich Sonntag aus. Damit sind am heutigen Freitag und am Wochenende keine Behinderungen im Bahnverkehr zu erwarten. Eine Annäherung der Tarifparteien zeichnet sich allerdings nicht ab. Die Bahn forderte die GDL auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Nur dort können Lösungen gefunden werden, nicht durch Streiks", sagte der Deutsche-Bahn-Personalvorstand Margret Suckale.

Die deutsche Lokführergewerkschaft GDL beharrt hingegen weiterhin auf einen eigenständigen Tarifvertrag mit der Bahn und droht mit weiteren Streiks, sollte das Unternehmen nicht einlenken. "Für uns ist klar: Wir gehen diesen Weg weiter. Wir werden am Ende des Prozesses einen eigenständigen Tarifvertrag abschließen", sagte GDL-Vizechef Claus Weselsky gestern, Donnerstag, Abend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner".

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger forderte die Bundesregierung auf, sich einzuschalten. Die Politik als solche sollte sich aus dem Konflikt zwar heraushalten, sagte der CDU- Politiker der "Berliner Zeitung" (Freitag). "Aber der Eigentümer der Bahn sollte sich in Person des Bundesfinanz- und des Bundesverkehrsministers stärker einschalten." Es gehe darum, Wirtschaft und Arbeitswelt vor Schaden zu bewahren.

Unterdessen wird die Deutsche Bahn am heutigen Freitag ihre Verhandlungen über eine neue Einkommenstruktur für den Konzern mit den beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA fortsetzen. Nach Angaben des Unternehmens werden für die Bahn Vorstandschef Hartmut Mehdorn und Personalchefin Suckale an der Runde in Berlin teilnehmen. Auf Gewerkschaftsseite sitzen die Vorsitzenden Norbert Hansen und Klaus-Dieter Hommel mit am Tisch. Der aktuelle Tarifkonflikt mit der GDL dürfte bei dem Treffen auch erörtert werden, hieß es bei Transnet.

Dritter Streik

Am Donnerstag hatte der dritte Streik der in der GDL organisierten deutschen Lokführer innerhalb von zwei Wochen zu einem Verkehrschaos auf den Straßen in den Ballungszentren geführt. Bundesweit wurde der Regionalverkehr und die S-Bahnen bestreikt. Hunderttausende Pendler waren auf das Auto umgestiegen oder mussten lange Wartezeiten ertragen.

Der deutsche Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat sich mittlerweile gegen eine direkte Einmischung der Politik in den Tarifstreit zwischen der Bahn und der Lokführer-Gewerkschaft ausgesprochen. "Die Politik sollte sich zunächst aus dem Tarifkonflikt heraushalten", sagte der SPD-Politiker am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Die Tarifautonomie in Deutschland funktioniere sehr gut, sagte der Minister. Andererseits sei die Politik gefragt wenn es darum gehe, die Rahmenbedingungen für Vermittlungsgespräche zu schaffen.

Tiefensee schloss weitere Streiks bei der Bahn nicht aus. "Ich befürchte, dass wir auch in der nächsten Woche Tarifkonflikte auf den Bahnhöfen, auf den Bahnsteigen, auf den Gleisen austragen werden", sagte er. Tiefensee appellierte erneut an die Gesprächspartner, "schnell wieder an den Verhandlungstisch zu kommen". Es gebe eine gutes Angebot des Arbeitgebers, das noch nicht gründlich von der GDL geprüft worden sei.

Tiefensee erklärte, selbstverständlich würden im Hintergrund Gespräche geführt. "Wir sind in höchstem Maße interessiert daran, das es ein tragfähiges Ergebnis gibt."´(APA/dpa/AP)