Die Kamera läuft, der Tonmann steht bereit – am Beginn des Castings steht eine Frage: „Können sie improvisieren?“ „Ja, wenn Sie mich jetzt nicht auffordern zu tanzen...“. Als Casting werden gemeinhin Situationen bezeichnet, in denen eine Person für eine Rolle vorspricht. Jemand präsentiert seine Fähigkeiten, ein anderer entscheidet, ob er das, was er da zu sehen bekommt, mit seiner Vorstellung vom dem, was er damit erreichen will, vereinbaren kann. Der israelisch-amerikanische Videokünstler Omer Fast geht in seiner gleichnamigen Installation über dieses Profil allerdings noch hinaus: Gesucht wird keine Figur, sondern eine Geschichte, an der sich der Zusammenhang zwischen Erfahrung, Erinnerung und ihrer medialen Vermittlung verdeutlichen lässt. „The Casting“ sucht jedoch nicht bloß eine Auseinandersetzung mit einer kulturindustriellen Praxis, sondern führt gewissermaßen selbst den Prozess einer Vergegenwärtigung vor. Eine erinnerte Geschichte wird hier in Bild und Ton nachgestellt, wobei zwischen der Rede aus dem Off und den Bildern von Anfang an eine merkwürdige Diskrepanz besteht. Während die Geschichte nämlich auf der Tonebene im entspannt dahin mäandernden Modus einer Nacherzählung zu hören ist – die bald noch ihre eigenen Tücken offenbaren wird –, sind die dazugehörigen Bilder statuarisch. Sie zeigen zwar Schauplätze und Figuren der Erzählung, allerdings beinahe bewegungslos. Wie in Tableaux vivants sind die Menschen zu Settings arrangierte, erstarrte Momentaufnahmen, die ihren Reiz dann doch auch aus dem Umstand beziehen, dass die Zeit in ihnen weiter wirkt – kleine Unebenheiten, ein Wackeln da, ein Zittern dort, verraten, dass es sich um keinen „freeze frame“ handelt. Die Bilder behalten dadurch den Eindruck des Inszenierten, sie stellen ihre Künstlichkeit aus, anstatt sie zu verschleiern. Erinnerung erscheint als fabriziertes Bild. Omer Fast hat in seinen Arbeiten immer wieder Bezug aufs Kino genommen und die Identifikationsweisen und Wahrheitsmodelle des Spielfilms kommentiert und unterlaufen. In „The Casting“ ist das Bild auf zwei Monitore aufgeteilt, welche dieselbe Szene aus unterschiedlichen Einstellungsgrößen zeigen. Doppelt besetzt ist aber auch die Erzählung selbst, was zusätzlich Verwirrung stiftet. Fast hat sie einem Gespräch mit einem US-Sergeant entnommen, der im Irak stationiert war – zwei vollkommen voneinander getrennte Geschichten, die nun auf eine Weise montiert sind, dass sie ständig ineinander übergehen. Eine davon kreist um seine Begegnung mit einem Mädchen, an einem Weihnachtsabend, als er noch in Deutschland stationiert war. Die zweite ist eine Kriegsepisode, bei der der Erzähler aus Versehen einen jungen Mann erschossen hat. Erinnerung wird in beiden Fällen zu einem krisenhaften Moment, den Omer Fast formal nicht bändigt, sondern noch betont: Wo sich das Mädchen Narben zufügt, um sich an bestimmte Ereignisse zu erinnern, da gerät in der anderen das eigene Gedächtnis zur zweifelhaften Instanz. AUSSTELLUNG Omer Fast The Casting 5.10.2007–20.1.2008