Lissabon - Österreich wird den neuen EU-Vertrag voraussichtlich bis Juni 2008 ratifizieren. "Der Vertrag wird unterschreiben am 13. Dezember. Danach kann formell das Verfahren beginnen", sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am Freitag nach Beschluss des Gipfeltreffens in Lissabon, bei dem sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs auf eine neue Rechtsbasis für die EU geeinigt haben, die die gescheiterte Verfassung ersetzen soll.

Österreich habe ein zweistufiges Verfahren, daher werde der Prozess etwas länger dauern, sagte der Bundeskanzler: "Ich schätze, dass, wenn das Parlament das so vor hat, der Vertrag bis Ende Juni auch in Österreich ratifiziert sein wird". In Österreich müssen National- und Bundesrat den neuen EU-Vertrag beschließen. Der am Nein der Franzosen und Niederländer gescheiterte Verfassungsvertrag war im 12. Mai 2005 von Parlament und am 25. Mai 2005 vom Bundesrat beschlossen worden.

Keine Volksabstimmung

Einer Volksabstimmung erteilte der Bundeskanzler eine Absage: Hinter entsprechenden Forderungen stecke "eine gestiegene Europaskepsis", die man aber "nicht wirklich durch eine Volksabstimmung" beantworte, sagte Gusenbauer am Freitag im Ö1-Morgenjournal. "Dieser Spalt, der zwischen den Bürgern und der EU steckt, wird nicht durch eine Volksabstimmung gelöst, sondern durch eine bessere Politik", sagte der SPÖ-Politiker. Er forderte, dass sich die EU nach den Jahren der "Selbstbeschäftigung" nun wieder brennender politischer Fragen wie des Klimawandels oder der Globalisierung annehme.

Der neue "Lissabonner Vertrag" - wegen der geplanten Unterzeichnung in Lissabon - soll Anfang 2009 in Kraft treten, spätestens vor den nächsten Europawahlen. "Der Vertrag soll ab 1. 1. 2009 in Kraft sein. Das ist die Zielsetzung", sagte Gusenbauer. Bis dahin müsste er aber in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Diplomaten räumen allerdings ein, dass dieser Zeitraum sehr knapp ist. Für den Fall, dass es länger dauert, tritt der Vertrag im Folgemonat der Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde in Kraft. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bereits in Aussicht gestellt, dass Deutschland den Vertrag als eines der ersten Länder ratifizieren will.

Merkel will neuen EU-Vertrag schnellstmöglich ratifizieren

Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte zum Abschluss des EU-Gipfels in Lissabon am Freitag an, das Kabinett werde sich mit der Frage noch vor Weihnachten befassen. "Die Bundesregierung wird jedenfalls alles dafür tun, dass wir diesen Vertrag auch zügig ratifizieren können." Unterzeichnet werden soll der neue Vertrag am 13. Dezember in Lissabon.

Merkel lobte die Einigung als "einen außerordentlich wichtigen Schritt in der Geschichte der erweiterten Europäischen Union." Die EU sei jetzt wieder handlungsfähig und in der Lage, sich mit den relevanten politischen und wirtschaftlichen Fragen zu befassen.

Auch Slowenien und Frankreich kündigten eine rasche Ratifizierung an. Er würde es begrüßen, falls sein Land zu den Vorreiterländern in der EU bei der Ratifizierung gehöre, sagte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Freitag in Lissabon nach Abschluss des EU-Gipfels.

Frankreich wolle sich nach dem gescheiterten Referendum zur EU-Verfassung vor zweieinhalb Jahre nun beispielhaft zeigen. Ein Referendum werde es nicht mehr geben. "Das wäre eine Verleugnung meiner eigenen Worte", sagte der Staatschef. Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht nach mehrjährigem Ringen auf den neuen Vertrag geeinigt, der an die Stelle der gescheiterten Verfassung treten soll. (APA/red)