Bis zu 6.000 Gläubige kommen jeden Sonntag in die Kirche.

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Pater Zygmunt Waz ist seit 2001 Rektor der Gardekirche der polnischen Gemeinde in Wien. Davor war er unter anderem in Basel, Chicago und Las Vegas.

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Mariola Seitnev: "Wir Polen sind einfach gläubig und keine Fanatiker."

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"Ohne Jesus kann ich nicht leben", sagt der 28-Jährige Slawomir. Er wählt am Sonntag PiS.

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Wien - Er singt, kniet, steht auf und singt wieder. Professionell, kein unsicheres Umsehen, keine Orientierung am Nachbarn. Die Choreographie wird seit je her vorgegeben. In seinem Messverhalten unterscheidet sich der fromme katholische Pole in der Gardekirche der polnischen Gemeinde im dritten Wiener Gemeindebezirk in nichts von seinen Glaubensbrüdern.

Vielleicht singt er lauter, kniet inbrünstiger auf dem kalten Steinboden und ignoriert beharrlicher die Handytöne aus der hintersten Reihe. Vor diesem Polen hat die EU Angst und fürchtet, dass es Premier Jarosław Kaczyńskis konservative Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit"(PiS) am Sonntag wieder an die Macht bringt. "Manchmal werden wir schlecht gemacht", kritisiert Pater Zygmunt Waz das Bild des religionsfanatischen Polen in den Medien. Er ist Rektor der Kirche am Rennweg. "Für viele gläubige Polen ist es wichtig eine Partei zu wählen, die ihre Frömmigkeit respektiert", erklärt der 57-Jährige.

"Natürlich PiS"

Die polnischen Bischöfe haben ihre Landsleute am Sonntag vor der Wahl dazu aufgerufen "massiv" zu den Urnen zu gehen. Werbung für eine Partei solle die Kirche nicht machen, hieß es im bischöflichen Hirten-Brief. Daran hält sich Pater Waz, auch im Ausland. Rund 60.000 Polen leben in Österreich, 4.000 von ihnen haben sich bereits für die Wahlen in der polnischen Botschaft in Wien registrieren lassen. 2005 waren es nur rund 1.500. Eine Wahlempfehlung hat Pater Waz diesen Donnerstagabend nicht. Lieber spricht er über den Heiligen Lukas, den Schutzpatron der Ärzte.

Bis zu 100 Leute sind diesen Abend in der Kirche, nichts im Vergleich zu den Tausenden, die am Sonntag kommen. Acht Messen mit insgesamt bis zu 6.000 Polen sind am Sonntag die Regel. Heute sind größtenteils Frauen mittleren Alters dabei, viele von ihnen sind Krankenschwestern. Darunter auch Mariola Seitnev mit ihren Arbeitskolleginnen und ihrer Tochter. "Wir Polen sind einfach gläubig und keine Fanatiker. Wir befolgen, was in der Bibel steht", sagt die 40-Jährige. Auch wenn sie seit 20 Jahren in Österreich lebt und die hiesige Staatsbürgerschaft hat, verfolgt sie jedoch sehr genau, was in Polen passiert. Wählen darf sie diesen Sonntag nicht, dafür aber ihr Ehemann. „Natürlich wählt er PiS. Er ist auch sehr patriotisch, so wie ich", sagt sie.

Radio Maryja im Handy

Jeden Abend schaltet Seitnev um halb zehn Radio Maryja ein. Um diese Zeit laufen die Diskussionen. Einmal hat die Krankenschwester sogar bei einer Sendung über die Masuren, eine Region im Norden Polens, angerufen. Seither hat sie die Nummer des Senders in ihrem Handy gespeichert. Der national-katholische Sender gilt als Sprachrohr der PiS und soll erheblich für deren Wahlerfolg 2005 verantwortlich gewesen sein. "Es ist einfach ein patriotisches Radio. Ich habe noch nie etwas Schlechtes gegen Juden gehört", verteidigt sie den Sender, dessen Direktor Pater Tadeusz Rydzyk wiederholt wegen antisemitischer Äußerungen kritisiert wurde.

An diese Anschuldigungen glaubt Pater Waz nicht. Auch nicht daran, dass Sendungschef Rydzyk die First Lady Maria Kaczynska eine "Hexe" nannte und ihr riet, sich "als erste der Euthanasie auszuliefern". Rydzyk Motiv: Kaczyńskis Engagement gegen schärfere Abtreibungsgesetze. "Ich bin nicht gegen den Sender. Viele liegen krank zu Hause im Bett und haben nur dieses Radio. Dort können sie anrufen, gemeinsam beten und jemand hört ihnen zu. Ich finde das schön", sagt Waz.

Keine Außenseiter mehr

"Es hat ein sehr positives Denken. Die Hörer können offen über alles ihre Meinung sagen", schließt sich Slawomir der Radio Maryja Euphorie an. Der gelernte Schuster ist Profipilger. Mit dem Rad ist er Papst Benedikt XVI. sogar bis nach Istanbul gefolgt. Wegen ihm ist er im September nach Österreich gekommen. In der polnischen Kirche kennt man ihn. Männer und Frauen kommen auf ihn zu und begrüßen ihn. Slawomir lässt keine Messe aus. "Ohne Jesus kann ich nicht leben", sagt der 28-Jährige. Er wird am Sonntag die PiS wählen. Seit der Kaczyński-Ära braucht sich Slawomir nicht mehr schämen. In der Schule und beim Bundesheer haben sie ihn ausgelacht, weil er sich an die Bibel gehalten hat. "Jetzt können die Polen sagen, was sie wollen und müssen sich mit ihrem Glauben nicht mehr als Außenseiter fühlen." (Solmaz Khorsand, derStandard.at/19.10.2007)