Wien – Kritik abprallen zu lassen hat die ÖVP in den vergangenen Jahren ausgiebig geübt. Kein Wunder, dass Wirtschaftsminister Martin Bartenstein auch jetzt für Gelassenheit plädiert und erst einmal abwarten will. Mit einem Unterschied zu früher: Diesmal kommen die Angriffe aus den eigenen Reihen.

Seit Tagen steht Bartenstein unter Beschuss: Der im ÖAAB organisierte Arbeitnehmerflügel der ÖVP protestiert gegen das Nein der eigenen Parteispitze zu einer Verlängerung der sogenannten Hacklerregelung, die Männer nach 45 und Frauen nach 40 Versicherungsjahren erlaubt, mit 60 beziehungsweise 55 Jahren in Pension zu gehen.

Neugebauer zieht vom Leder

Zuletzt zog ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer im Ö1-„Morgenjournal“ gegen Bartenstein vom Leder. Der Minister habe „nicht berücksichtigt“, dass der ÖVP-Parteitag im April für eine Verlängerung der Hacklerregelung über 2010 hinaus votiert habe: „Wir wollen eine ordentliche Perspektive.“ Sollte Bartenstein nicht einlenken, sei sogar denkbar, dass die Arbeitnehmervertreter bei der entscheidenden Abstimmung im Nationalrat gegen die Parteilinie stimmen. Das wäre nicht bloß ein Zwergenaufstand: Der ÖAAB stellt immerhin 28 der insgesamt 66 Abgeordneten der ÖVP.

Erst einmal will die Regierung die 68. Novelle des Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), in dem Pensionsänderungen verpackt sind, aber im Ministerrat beschließen. Kommenden Mittwoch nimmt Sozialminister Erwin Buchinger einen neuen Anlauf, nachdem die ÖVP den Beschluss verzögert hatte. Die Hacklerregelung wurde aus dem Paket eigentlich bereits entsorgt, doch nun wittert Buchinger eine neue Chance und lädt alle Beteiligten – von Bartenstein über die ÖAABler bis zu den Sozialpartnern – für kommenden Dienstag zu einer „offenen Dialogrunde“ ein. ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon sagte jedoch bereits Freitagnachmittag seine Teilnahme ab. Die Einladung sei zu kurzfristig ausgesprochen worden, so Amon in einer Aussendung. Außerdem seinen "im gleichen Atemzug auch die Medien" informiert worden. Dies würde eindeutig zeigen, "dass es Buchinger dabei ausschließlich um eine Medieninszenierung und wieder nicht um die Sache selbst geht."

Bartenstein spielt auf Zeit

Bartenstein spielt unterdessen auf Zeit. Erst im nächsten Frühjahr wisse man aus dem neuen Nachhaltigkeitsbericht des Sozialministeriums, ob das Pensionsystem einer neuen Reform bedürfe. Davor habe es keinen Sinn, an größeren Schrauben zu drehen. (jo, DER STANDARD, Printausgabe 20./21.10.2007)