Polarisierende Ausländerfrage: eine Zuwandererfamilie vor dem Parlamentsgebäude (Bundeshaus) in Bern, das gerade renoviert wird.

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Ein Mann passiert Wahlplakate in Zürich.

In 26 kantonalen Wahlkreisen werden 199 der 200 Mitglieder des Nationalrats gewählt. Gleichzeitig werden 41 der 46 Sitze im Ständerat besetzt, der Kammer der Kantonsvertreter. Das neue Parlament wird am 12. Dezember die sieben Mitglieder der Regierung (Bundesrat) wählen. Wahlberechtigt sind am Sonntag 4,8 Millionen Bürger.

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Noch nie seit der Gründung der modernen Schweiz 1848 war eine Parlamentswahl so brisant: Es geht um eine Richtungsentscheidung über die künftige politische Kultur.

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Bern/Wien – Spätestens seit den schweren Krawallen in Bern vor zwei Wochen ist auch politisch wenig interessierten Schweizern klar, dass die Parlamentswahlen am Sonntag keine „normalen“ sind. Mit seinem rechtspopulistischen Kurs polarisiert der Zürcher Milliardär Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) das Land wie kein Politiker vor ihm.

Nach allgemeiner Auffassung treibt Blocher diese Polarisierung voran, weil sie ihm bisher stets genützt hat. Schon bei den Wahlen vor acht Jahren zog die SVP mit den Sozialdemokraten (SP) gleich (je 22,5 Prozent der Stimmen), um sich 2003 mit 26,7 Prozent klar an die Spitze zu setzen (SP: 23,3). Diesmal sagen Umfragen der SVP weitere Gewinne und der SP weitere Verluste voraus.

SVP nimm Bürgerlichen Stimmen weg

Die Sozialdemokraten taten Blocher den Gefallen, sich auf ihn „einzuschießen“ und erkannten den taktischen Fehler erst angesichts der Berner Ausschreitungen. Für eine Änderung der Linie war es da freilich schon zu spät. Neben Blocher profitieren indes auch die Grünen von der Polarisierung, weil sie auch einen stark sachbezogenen Wahlkampf führen. Die bürgerlichen Mitte-Parteien FDP (Freisinnige) und CVP (Christdemokraten) müssen dagegen froh sein, wenn sie ihren Stimmenanteil von 17,3 bzw. 14,4 Prozent halten können.

Vor allem mit seinem politischen Stil nimmt Blocher einen Bruch mit dem Schweizerischen Modell der Konkordanz- und Konsensdemokratie bewusst in Kauf. Das Thema EU war ihm weitgehend abhandengekommen, weil es inzwischen breiten Konsens darüber gibt, dass ein Beitritt zur Europäischen Union nur noch eine „Option“, aber nicht mehr strategisches Ziel ist. Also verlegte sich Blocher auf die Ausländerpolitik.

Inzwischen steht fest, dass die SVP-Initiative für die Abschiebung kriminell gewordener Ausländer einer Volksabstimmung unterworfen wird. Rund doppelt so viele wie die erforderlichen 100.000 Stimmberechtigten hätten unterschrieben, teilte Parteipräsident Ueli Maurer vor wenigen Tagen mit.

Die Frage ist nun, wie sich diese Mobilisierung auf die Wahlen am Sonntag auswirkt. Denkbar wäre auch ein gegenteiliger Effekt: Manchen Sympathisanten der SVP (die ihrerseits innerlich gespalten ist) könnte die von Blocher betriebene Polarisierung inzwischen doch zu weit gehen – zumal sie später ohnehin über das Abschiebegesetz abstimmen können.

Erste Hochrechnungen wird gegen 19.00 Uhr erwartet, die Endergebnisse sollen bis Mitternacht vorliegen. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.10.2007/APA)