Peter Pilz, Heinz Mayer, Harald Bisanz diskutierten moderiert von Eric Frey mit Werner Doralt und Maximilian Burger-Scheidlin (v. re.) das Phänomen Wirtschaftskriminalität.

Foto: STANDARD/Hendrich
Wien - Ein "Mikroklima der Wirtschaftskriminalität" fange schon an, "wenn der Taxifahrer fragt, welches Datum er auf die Rechnung schreiben soll", klärt Harald Bisanz, der Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien.

Im Rahmen der Diskussionsreihe "Standpunkte" erörterte er Donnerstagabend gemeinsam mit Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer von ICC Austria, Werner Doralt, Vorstand des Instituts für Finanzrecht, und Heinz Mayer, Dekan am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, sowie Peter Pilz, Friedens- und Sicherheitssprecher der Grünen, die Frage der Wirtschaftskriminalität in Österreich. Die Veranstaltung des STANDARD und der Rechtsanwaltskammer Wien leitete Eric Frey.

"Whistleblower-System"

"Wenn höchste Beamte als Kontrolleure in Aufsichtsräten von privaten Firmen sitzen, frage ich mich, ob mitgedacht wird", spricht Mayer die "Gelassenheit gegenüber korruptionsnahem Verhalten" an, die hierzulande herrsche. "Bevor man nach Korruption fragt, wird geklärt: Ist es ein Unsriger?", kritisierte Pilz.

Bisanz spricht sich zwecks Aufdeckung für das "Whistleblower-System" aus, das Dienstnehmern ermöglicht Korruption im Unternehmen anzuklagen. Dies funktioniere nur unter Anonymität, ergänzt Burger-Scheidlin.

Wie Bisanz verortet auch Doralt die Problematik im Bereich der Ethik. "Im scheinbar unverdächtigem Vorfeld passieren Schweinereien, die lawinenartig anschwellen", erinnerte er an den Vorwurf der Bestechung im Rahmen des Eurofighterkaufs zwischen Erich Wolf und dem EADS-Lobbyisten Erhard Steininger. Von deren Verbindung "wusste das ganze Haus, aber niemand hat sich darum geschert", kritisierte Doralt. Die Planungsvergabe und die Vertragsverhandlungen seien in einer Hand gewesen, zeigte Pilz ein strukturelles Problem auf. "Für die Firma hat es gereicht, nur an diese Person heranzukommen."

Er kritisierte dahingehend auch das "Abwürgen des Bankenausschusses", was auch Bisanz als "den eigentlichen Skandal des Jahres" betitelte.

"Eine Hand hält die andere"

"Hier ist das Wegschauen sichtbar geworden", stimmte Mayer zu. Er forderte darüberhinaus die Herauslösung der Staatsanwaltschaft aus dem politischen Einflussbereich.

Bei der Frage nach der zukünftigen Entwicklung teilten sich die Meinungen: "Eine Hand hält die andere", sieht Mayer wenig Aussicht auf Änderung. "Wir brauchen mehr Zivilcourage", ist auch Doralt wegen der "mangelnden Bereitschaft" pessimistisch. Eine "Aufwachphase" diagnostiziert dagegen Burger-Scheidlin, der für einen Neuanfang durch Steueramnestie und Flat Tax plädiert.

Pilz und Bisanz lobten den europäischen Weg, der in die richtige Richtung gehe. Vielleicht gilt also die von Pilz zitierte "alte österreichische Regel 'Hinterziehe zehntausend Euro und du kommst ins Gefängnis, hinterziehe zehn Millionen Euro und dir passiert nichts'" bald nicht mehr. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.10.2007)