In Klagenfurt wurde an einer Kreuzung, die seit einem Dreivierteljahr eine Baustelle ist, ein bei Grün über den Zebrastreifen gehender neunjähriger Junge von einem Lastwagen getötet.

An dieser, sich nun schon ein Dreivierteljahr dahinziehenden Baustelle im Zentrum von Klagenfurt, die ich fast täglich gesehen habe, in diesem Absperrwirrwarr und Verkehrszeichenmeer, habe ich mich einmal als Fußgänger verirrt und bin dann plötzlich im Schotter vor einem Bagger gestanden. Dass ein "derartiger Unfall jederzeit auch ohne Baustelle passieren kann", um die Worte des 1. Landeshauptmannstellvertreters, Gerhard Dörfler, zu gebrauchen, ist nach meinem Dafürhalten, im Angesicht eines auf dieser Baustelle tödlich verunglückten Kindes, das bei Grün über den Zebrastreifen gegangen ist und von einem Lastwagen erfasst wurde, eine unverschämte Verharmlosung.

Hätte man diese Kreuzung längst fertiggebaut, hätte es selbstverständlich diesen Unfall, an dieser Stelle, in dieser Sekunde nicht gegeben. Seit März 2007 existiert diese Baustelle an dieser Kreuzung, die nur ein paar hundert Quadratmeter groß ist. Um das Fußballstadion schneller fertigzustellen, wurden Arbeiter von dieser Baustelle abgezogen, das hat sich in Klagenfurt herumgesprochen. Das Fußballstadion war selbstverständlich wichtiger. Dieser kleine Junge, der neunjährige Lorenz, ist der erste Tote der Fußballeuropameisterschaft 2008. Weinend ist der Vater vor seinem auf der Straße liegenden toten Kind gekniet und hat seine schneeweiß gewordene Hand gestreichelt.

Was bitte ist eine "beschränkte Baustelle", um wiederum die Worte des 1. Landeshauptmannstellvertreters von Kärnten zu gebrauchen, der früher einmal Brauereidirektor war und der immer wieder mit brauner Lederschürze beim Bieranstechen zu sehen ist?

Hätte es vielleicht eine "unbeschränkte Baustelle" sein sollen, deren Fertigstellung über die Ewigkeit hinaus dauert? Wenn es an einer Kreuzung einen "toten Winkel" gibt, wenn also eine Situation entstehen kann, dass ein sogenannter toter Winkel überhaupt möglich ist, dann wird irgendwann wieder ein Unglück passieren.

Es darf auf dieser großen Kreuzung keinen "toten Winkel" geben. Wenn ich den von riesigen Plakaten ebenso unverschämt wie herablassend herunter grinsenden Klagenfurter Bürgermeister Harald Scheucher mit dem Ball in der Hand sehe, denke ich oft an die Worte meines bäuerlichen, fast hundert Jahre alt gewordenen Vaters: "Wie man nur einem Ball nachlaufen kann!" (Und das alles wegen drei Europameisterschaftspielen in Klagenfurt, wegen viereinhalb Stunden Fußball.) Zu Allerheiligen soll die Baustelle fertig sein. Und? Ist eine Gleichenfeier an dieser Kreuzung vorgesehen, Bierjogl?

(DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2007)