Jeder, der einmal einen amerikanischen Krimi gesehen hat (oder US- Zeitungen) liest, weiß, dass es viel ärgere Polizei-Korruption gibt als die rund um den "General" Horngacher und den Verein "Freunde der Polizei". Jeder, der einmal in einem Gerichtssaal war, weiß, dass es eine viel haarsträubendere Verhandlungsführung gibt, als die der Richterin im Bawag-Prozess. Aber trotzdem macht sich Unbehagen breit. Denn Institutionen wie die Polizei und die Justiz, die unser Leben dramatisch beeinflussen können, sollten sich nicht in einem seltsamen Zwischenreich bewegen.Der Bawag-Prozess liefert viele "Na, des gibt's nicht!"-Momente, viel Erheiterndes und Typisches aus der Welt der politikbeeinflussten Wirtschaft - aber er nähert sich nach 40 Tagen nicht wirklich den Kernfragen. Das ist schon einigen kundigen Wirtschaftsjournalisten (u. a. Christian Ortner) aufgefallen und zuletzt stellte ein Wirtschaftsprüfer in der Krone die berechtigte Frage, wann man endlich zum Kern der Sache - Untreue oder nicht - komme, statt "Unterhaltung für die Medien" zu liefern. Der Auftritt des bekannten Show-stars Karl-Heinz Grasser, der ungerügt von der Richterin sagen durfte "wir müssen ja dem Publikum etwas bieten" war nur ein Höhepunkt in einer amüsanten, aber substanziell unbefriedigenden "Wahrheitsfindung". Das Ganze wirkt irgendwie unernst und ist doch einer der größten Wirtschaftsskandale der Zweiten Republik. Es mag daran liegen, dass der Staatsanwalt (zum erkennbaren Ärger der Richterin) in seiner unter Zeitdruck verfassten Anklage auf so unbedeutende Fakten verzichten musste, wie die Dokumentation der Geschäfte, bei denen Riesenverluste anfielen, und sich nur auf die Angaben der Hauptangeklagten stützt: "Das Geld ist eben weg." Wobei Unbehagen von Anfang an diese Causa begleitet: Der Hauptangeklagte Elsner wurde aufgrund der Aussage zweier Journalisten verhaftet, die ihn mit jemand anderem verwechselt hatten. Der simuliert nur eine Herzkrankheit, sonst könnte er nicht Porsche fahren, hieß es, und schon wurde er nach Wien verbracht. Aber erstens war er es nicht und zweitens musste man ihm sofort einen mehrfachen Bypass machen, er war also doch ziemlich krank. Das heißt nicht, dass er nicht transportfähig gewesen wäre, aber die Umstände machen nachdenklich. Der Verein der Polizeifreunde, in den allerlei Promis einzahlten, um gut Wetter zu machen, diente vermutlich nicht einer wirklich schweren Korruption vom Kaliber eines italienischen Mafia-Skandals. Aber das sind genau die schlampigen Verhältnisse, die man lieber vermieden sähe. Österreich ist ein Hauptstützpunkt des mangelnden Unrechtsbewusstseins. Der Weg über Hintertüren, diese gewisse "Flexibilität", hat auch ihre Vorteile, und das ist nicht zynisch gemeint. "Österreichische Lösungen" sind oft nicht die schlechtesten. Aber die Grenzlinie von einem konsensorientierten Pragmatismus zu blanker Prinzipienlosigkeit und üblem Opportunismus ist rasch überschritten. Wobei nicht verhehlt werden soll, dass sich etliche Journalisten und Medien auch in diese Grauzone hineinziehen lassen. Aber so schlimm das oft ist - Polizei und Justiz sind Organe des Staates, die Medien aber nicht. Von Polizei und Justiz erwarten wir ein Verhalten, das ihrer Position im Gefüge des Staates entspricht. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2007)