Die "Zeit ist Geld"-Skulptur des Kramsacher Künstlers Alois Schild mitten in der Wörgler Einkaufsstraße soll zum Nachdenken provozieren.

Foto: STANDARD/Schlosser
Wörgl - Zwölf Projekte haben sich um den mit 5000 Euro dotierten Unterguggenbergerpreis beworben, der am 25. Oktober in Wörgl vergeben wird. Unter den Bewerbungen befinden sich der "Chiemgauer" und der "Styrrion", zwei erfolgreiche Regionalwährungsinitiativen aus dem deutschsprachigen Raum. Aus Brasilien, Mexiko und Indonesien kommen Initiativen, die etwa alternative Währungssysteme mit Mikrokredit-Programmen verbinden. Gemeinsam ist allen Einreichungen, dass sie sich in der einen oder anderen Form auf jene weltweit erste Regionalwährung beziehen, die Bürgermeister Michael Unterguggenberger 1932 in Wörgl initiiert hatte.

Anfang 1932 lag in der 4200 Einwohner zählenden Gemeinde im Tiroler Unterland die Arbeitslosenrate um die 25 Prozent, 200 Personen waren bereits "ausgesteuert" und damit auf die Armenfürsorge der Gemeinde angewiesen. Am Rande des Bankrotts stand auch die Gemeinde selbst - nicht zuletzt deshalb, weil viele Betriebe mangels Umsätzen ihre Gemeindesteuern nicht mehr begleichen konnten. Ein teuflischer Kreislauf, der sich damals in tausenden anderen Gemeinden in ähnlicher Form wiederholte.

Auf Initiative des sozialdemokratischen Bürgermeisters Michael Unterguggenberger, eines damals 48-jährigen Eisenbahners, wurden ab Juli 1932 in Wörgl Arbeitslose im kommunalen Straßenbau beschäftigt. Entlohnt wurden sie mit Arbeitswertscheinen, die von der Mehrzahl der Wörgler Geschäfte angenommen wurden. Diese konnten damit ihre Steuerschulden bei der Gemeinde begleichen, was dieser wiederum ermöglichte, ihren sozialen Aufgaben besser nachzukommen. Am Ende ging es sich finanziell sogar aus, eine Sprungschanze zu bauen.

Der Clou an diesen, auf Schilling lautenden Arbeitswertscheinen bestand darin, dass sie monatlich ein Prozent ihres Wertes verloren und beim Wechseln in "echte" Schilling eine Gebühr von zwei Prozent fällig wurde.

Dadurch gab es Interesse, das "Schwundgeld" möglichst rasch wieder auszugeben. "Ein darnieder liegender Wirtschaftskreislauf wurde angekurbelt", sagt Veronika Spielbichler, Obfrau des Unterguggenberger-Instituts und Initiatorin des Freigeldjahrs.

Von Dollfuß abgedreht

Innerhalb eines Jahres ging in Wörgl die Arbeitslosigkeit um 16 Prozent zurück, während sie zeitgleich in Österreich nochmals um 19 Prozent anstieg. Hunderte Gemeinden im In- und Ausland interessierten sich, und Guggenberger ging mit seiner Idee auf Vortrags-Tournee - ehe der Regierung Dollfuß und der Nationalbank die ganze Sache zu heiß und das Experiment im September 1933 aus formalen Gründen unterbunden wurde.

Das 2003 gegründete Institut ist nahe dem Wörgler Ortszentrum im ehemaligen Kleidergeschäft von Unterguggenbergers Frau Rosa untergebracht. Es sieht eine Hauptaufgabe im Archivieren und Dokumentieren jener Epoche. Ein zweiter Schwerpunkt ist den zahlreichen regionalen Komplementärwährungssystemen und Tauschkreisen gewidmet, insbesondere im deutschen Sprachraum. Für viele dieser Projekte sei das Wörgler Experiment ein Vorbild, betont Spielbichler.

Mit dem heurigen "Freigeldjahr" sollen die historischen Ereignisse und aktuelle Entwicklungen populär vemittelt werden: etwa mit Aufführungen von Werner Pirchners "Freigeldmusik", einem Theaterstück, das die Geschichte Unterguggenbergers erzählt oder mit einer Stahl-skulptur von Alois Schild, die noch bis zum Weltspartag mitten in der Wörgler Einkaufsstraße unter dem Motto "Zeit ist Geld" zur Auseinandersetzung provoziert. Dazu kamen Seminare, Vorträge und ein Projekt der Künstlergruppe WochenKlausur, das auf derstandard.at/SozialesWirtschaften fortgesetzt wird. (Hannes Schlosser, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.10.2007)